Von Karl Dotter, Alsfeld (1929)
I. Botenwesen, Landtags- und Reichstagsposten im 16. Jahrhundert
Das Bedürfnis der Menschen, sich auf mehr oder minder große Entfernungen miteinander zu verständigen, ist uralt, aber die Möglichkeiten hierzu, die Mittel und Wege, waren in alter Zeit dürftig und gering. Die große Masse des Volkes war im Mittelalter des Lesens und Schreibens unkundig; ein schriftlicher Gedankenaustausch kam für sie nicht in Frage. Den gebildeten Kreisen, die sich auf diesem Wege verständigen konnten, fehlten die unserer modernen Zeit geläufigen und unentbehrlichen Hilfsmittel einer raschen Nachrichtenübermittelung. Und doch war diese für gewisse Kreise, Amtsstellen, Diplomaten, aber auch Klöster und Gelehrte, nicht ganz zu entbehren. Sie geschah in der ältesten Zeit durch Boten, die unregelmäßig, von Fall zu Fall, die Schriftlichkeiten und sonstige Sendungen an den Ort ihrer Bestimmung brachten. Die erste organisierte Botenverbindung war die auf Befehl des Kaisers Maximilian I. im Jahre 1490 durch Zanetto von Taxis eingerichtete Stafettenkette, welche die österreichische Verwaltungszentrale Innsbruck mit der flandrischen Residenz Mecheln verband. Dieser deutsch-niederländische Kurs berührte auch das heutige Hessen. Er ging zwar nicht durch unsere Gegend, aber über die Städte Worms, Flonheim und Bingen.
Wie der Kaiser, so unterhielten auch die deutschen Reichsfürsten für ihre Zwecke eigene Botenverbindungen. Philipp der Großmütige von Hessen hatte während der Dauer des Reichstages zu Speier 1529 eine reitende Post von Cassel bis Speier eingerichtet. Diese diente aber in der Hauptsache seinen eigenen Zwecken. Nach Beendigung des Reichstages ging dieser Stafettendienst wieder ein. Im Jahre 1539 erließ der Landgraf eine Verfügung, durch welche die Beförderung der Postsachen von Cassel nach Frankfurt geregelt wurde. „Die Extrapost soll der Landvogt an der Werra durch Landknechte besorgen; die andere Post zu Hoimburck (Homberg) ist durch den Amtsknecht zu bestellen, die dritte Post zu Ziegenhain durch des gnädigen Herrn Boten, die vierte zu Kirchhain durch einen vierten Boten, die fünfte Post zu Linden durch den Amtsknecht zu Gießen und von da gen Frankfurt.“
Als Landgraf Philipp 1541 dem Religionsgespräch in Regensburg beiwohnte, ließ er durch eine höfische Stafettenpost eine möglichst rasche Verbindung zwischen dieser Stadt und seiner Residenz Cassel herstellen. Der landgräfliche Sekretär Kreutter zu Marburg teilt darüber am 06.04.1541 in einem Briefe an den Marschall Hermann v. d. Malsburg folgendes mit: „. . . wir thun Euch zu wissen, dass ich auf Bevehl meines gnädigen Fürsten und Herrn die Post gelegt habe nachfolgendermaßen: Nemlich, die erste Post liegt hier zu Marburg, die andere zu Alsfeld, die dritte zu Hirsfelt, die viert zu Breytingen und die letzt zu Ramhiltt, derselbe soll reiten bis gen Ebern. So hat mein gnäd Fürst und Herr hierentgegen gelegt: die erste Post zu Regensburg, die andere zu Deiningen, die dritte zu Burg, die vierte zu Bamberg, die fünfte zu Ebern, darumb, was Sie seiner fürstl. Gnaden schreiben wollen, mögen Sie hierher auf der Post schicken oder gen Hirsfeld.“
Die städtischen Verwaltungen, die mit ihrer Landesregierung in einer ständigen Fühlung bleiben mußen, schufen sich ihr eigenes Botenwesen. Die Alsfelder Kastenrechnung vom Jahre 1538 verzeichnet folgende Ausgaben: „2 alb. Heinrich Sch. […], hat 1 Brief Hentzen von Luther gen Zigenhain [01] brach“, – desgl. „Cuntz Biedenkopf, hat 1 Brief an den Statthalter nach Cassel gebracht.“ – Eine Botenverbindung mit der Landeshauptstadt Cassel, dem Regierungssitz Marburg und dem benachbarten Ziegenhain lässt sich in den städtischen Rechnungen öfters nachweisen. Privatkorrespondenz besorgten diese Boten in der Regel nicht, wohl nur ausnahmsweise und vielleicht auch heimlich ohne Wissen des Rates gegen ein gutes Trinkgeld. Wer Briefschaften oder dergleichen in der Umgebung zu besorgen hatte, gab sie gewöhnlich umherreisenden Kaufleuten, fahrenden Schülern oder den auf Viehhandel ausgehenden Metzgern zur Besorgung mit.
Der schlechte Zustand der Straßen war dem Verkehrswesen wenig förderlich. In Hessen hatte zwar Landgraf Philipp der Großmütige durch Verordnungen mehrfach für einen besseren Zustand der Landstraßen gesorgt, aber er konnte den Übelständen nicht ganz abhelfen. Bekannt ist des Landgrafen Ausspruch: „Man soll einen Fürsten kennen bei einer Straße, guter Münze und Haltung beschehener Zusage“. Einen geordneten Straßenbau in unserem Sinne mit einem Unterbau aus Steinen kannte man im 16. Jahrhundert nicht. Man warf Baumstämme, große Feldsteine, Weidenstöcke und Reisig in die Wege. Bildete sich ein Loch in der Straße, so füllte man es einfach mit Reisig wieder aus. Das Alsfelder Ratsbuch enthält 1532 die Bestimmung, dass die Wege zweimal im Jahre besichtigt werden sollen. 1555 wird ein besonderer Wegebeseher erwähnt, der an Ostern und Michaelis die Wege revidieren sollte.
Nach Philipps des Großmütigen Tod (1567) fiel Alsfeld an Hessen-Marburg. Landgraf Ludwig IV. zu Marburg schuf sich 1573 eine eigene Fußpost in seinem neuerworbenen Land. Es war die Zeit, wo nach den Jahren gewaltiger Entdeckungen, bedeutender Erfindungen und religiöser Umgestaltung allmählich Ruhe einzukehren begann. Die Reformation hatte das Geistesleben neu befruchtet und angeregt, das Bedürfnis nach Gedankenaustausch und Verständigung war gewachsen; aus dem nur die Bedürfnisse des Einzelnen befriedigenden Botendienst entwickelte sich nach und nach ein der Allgemeinheit dienender regelmäßiger Postdienst mit festen Kursen, Abgangs- und Ankunftszeiten und allgemeinem Posttarif.
Der von Taxis eingerichtete Postkurs Wien-Brüssel erfreute sich der Gunst des Kaisers und der Kurfürsten. Das System wurde langsam erweitert und ausgebaut; es bildete sich, durch kaiserliche Gunst begnadet, zu einem Privileg der Familie von Taxis heraus. Kaiser Karl V. und später Ferdinand I. bestätigten Leonhard von Taxis als niederländischen Postmeister. Rudolf II. ernannte ihn 1595 zum General-Oberpostmeister über die Posten im heiligen römischen Reiche. Ein kaiserliches Mandat vom Jahre 1597 bezeichnete die Post als ein „hochbefreites kaiserliches Regal, dem kein Hindernis, Eintrag oder Nachteil geschehen dürfe.“
II. Die Post im 17. Jahrhundert
Im Jahre 1615 erhielt Lamoral von Taxis das Postwesen des Reiches vom Kaiser Matthias als ein neueingesetztes Regal für sich und seine männlichen Erben zu Lehen. Es ist eine bis jetzt noch nicht gelöste Streitfrage [02]: „Gehörte im heiligen römischen Reiche deutscher Nation das Recht, das taxissche Postwesen zum Reichsregal zu erheben, zu den Reservatrechten des Kaisers oder stand das Recht, Posten anzulegen, als Teil der Landeshoheit den einzelnen Territorialgewalten zu?“ An Widerspruch und Widerstand hat es denn auch da und dort im weiten deutschen Reiche nicht gefehlt. Hessen-Cassel führte einen andauernden Kampf mit der Thurn- und Taxisschen Postverwaltung und trug in der Regel den Sieg davon. Der Ausdauer, der Beharrlichkeit und dem Unternehmungsgeist des Hauses Taxis war es mit der Zeit gelungen, die Schwäche des Kaiserhauses zu seinen Gunsten zu benutzen. „Wenn auch nicht zu bestreiten ist, dass das taxissche Postwesen ein mächtiger Kulturfaktor gewesen ist, so darf bei der kritischen Beurteilung seines ideellen Wertes doch nie außer Acht gelassen werden, dass es eine Lehnpost war, ein beneficium, das den Taxis übertragen war und aus dem möglichst viel Nutzen zu ziehen allezeit ihre vornehmste Aufgabe gewesen ist. Es war stets eine Domäne, die Überschüsse liefern musste, mit andern Worten: Eine Privat-Erwerbsgesellschaft im Großen.“ [03]
Die taxisschen Posten genügten den Anforderungen des Verkehrs aber nicht; ihr Netz war nicht engmaschig genug; nur die einträglichsten und verkehrswichtigsten Linien wurden berücksichtigt. Die technischen Hilfsmittel zur Bewältigung des Postverkehrs waren zudem höchst dürftig. Was blieb den Landesfürsten daher übrig, als in ihrem Territorium eigene Posten zu gründen, zu unterhalten und auszubauen? Daher die häufigen Kompetenzkonflikte. Hessen-Darmstadt kam mit Taxis besser aus als andere Nachbarländer. Es gestattete die Anlegung neuer Stationen und gewährte den Posthaltern Befreiung von Staatslasten; dagegen verpflichtete sich Taxis, alle fürstlichen Privatschreiben, Akten und Dienstbriefe auf der ganzen Strecke und darüber hinaus taxfrei zu befördern.
In der gleichen Zeit finden wir aber auch in Hessen die ersten Ansätze eigener Postverbindungen, selbständiger Landesposten. Neben den Fußgängerposten erscheinen auch reitende Posten. Ein summarischer Überschlag vom 14. Juni 1625, der von den Amtleuten der Ämter Alsfeld, Romrod, Grebenau, den Gerichten Schwarz, Bobenhausen, Felda, Eußergericht und Ulrichstein unterzeichnet ist, berichtet uns, was die beiden Postpferde zu Alsfeld an Fütterung, Hafer, Heu und Wartung innerhalb 6 Wochen gekostet haben. Daneben finden sich Ausgaben für Sattelzeug und Botenlohn für die beiden Postreiter. Die Kosten in Höhe von 122 Reichstaler 2½ Kopfstück wurden unter die genannten Ämter verteilt.
Die mit der Briefbesorgung beauftragten Boten ließen es oftmals an der nötigen Sorgfalt bei der Bestellung fehlen. Um das Liegenlassen der Postsachen auf den einzelnen Stationen zu verhindern, musste jeder Abfertigungsbeamte ein besonderes Buch führen, in das alle aufgegebenen Briefe mit Datum eingetragen wurden. Dieses Buch wurde dem Boten mitgegeben und allenthalben kontrolliert. Am 17.01.1644 erging eine landgräfliche Verfügung, dass die Postbeamten bei Vermeidung von Strafen sich mehr als bisher zu den Posttagen halten sollten. Unter den Poststationen, denen diese Verfügung zugestellt wurden, findet sich auch das Postamt zu Alsfeld. Wir müssen berücksichtigen, dass diese Maßregel in die Zeit des 30-jährigen Krieges fiel, wo Wege und Stege höchst unsicher waren, wo ein geordneter Verkehr überhaupt schwer aufrecht zu erhalten, wenn nicht ganz unmöglich war. Selbst lange Jahre nach dem Friedensschluss war die Unsicherheit auf den Straßen noch sehr groß. Im September 1667 wurde der „Ordinari-Postwagen“, bei Gudensberg in Niederhessen von mehreren Reitern überfallen und völlig ausgeplündert.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam für unsere Gegend eine wichtige Neuerung. Seit alter Zeit bestanden zwischen den hessischen und sächsischen Fürstenhäusern enge freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen. Der Verkehr zwischen beiden war ein sehr reger, besonders in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1662, ein Jahr nach dem Regierungsantritt des Landgrafen Ludwigs VI. von Hessen, fehlte nicht viel, so wäre das Amt Alsfeld an Sachsen-Gotha verpfändet worden. 1666 heiratete dieser Fürst eine gothaische Prinzessin, Elisabeth Dorothea. Im folgenden Jahre wurde der spätere Landgraf Ernst Ludwig zu Gotha geboren. Verlobungen, Hochzeiten und Todesfälle kamen in den Jahren 1669, 1671 und 1672 mehrfach vor. 1678 starb Landgraf Ludwig VII., Ernst Ludwigs Stiefbruder, im Schlosse bei Gotha. Als letzterer 1688 zur Regierung kam, finden wir die erste reguläre Postverbindung mit Sachsen. Sie war eine Folge der innigen Beziehungen des Fürstenhauses zu den sächsischen Landen. Ums Jahr 1690 wurde „auf gnädigsten Spezialbefehl des Kur- und gesamten hochfürstlichen Hauses Sachsen-Gotha und Weimar eine ordinarie fahrende Post von Leipzig bis Frankfurt, die Woche 2 mal, dergestalten eingerichtet, dass die Route über Hersfeld-Alsfeld-Grünberg-Friedberg“ ging. Posthalter war der Sternwirt Heydelbach neben dem Alsfelder Rathaus. Am 21.04.1691 beschwerte sich der fürstlich sächsische Postdirektor L. Johann Matth. Biler zu Jena bei dem Landgrafen von Hessen, weil dem Posthalter Heydelbach 3 Postpferde, die er früher nicht gehabt hatte, ehe er die Post führte, von dem Rate der Stadt in Contribution gesetzt worden seien. Am 8. Mai befahl die fürstliche Kanzlei zu Darmstadt den Alsfelder Beamten, die Sache zu prüfen und in Ordnung zu bringen. Die neugeschaffene Postlinie war für die Entwickelung und Bedeutung Alsfelds in der Folgezeit von großer Wichtigkeit.
Die Post im 18. und 19. Jahrhundert
Im Jahre 1703 wurde dem Handelsmann Hans Jakob Ramspeck zu Alsfeld die Zolleinnehmerei und 1725 auch die Posthaltung übertragen. Er war der Sohn eines Ratsherrn und Reitsattlers gleichen Namens aus Basel und am 06.03.1657 dort geboren. Kaum 20 Jahre alt, trat er in die Dienste des Oberforstmeisters Johann Ludwig von Minnigeroda zu Romrod. Nachdem er 1679 das Bürgerrecht zu Alsfeld erworben hatte, heiratete er zu Romrod am 07.06.1681 Anna Margareta Möller, die Tochter des Försters zu Zell. Im gleichen Jahre scheint er nach Alsfeld gezogen zu sein, allem Anschein nach in das von Minnigerodasche Haus in der Mainzergasse, jetzt Haus Spier Söhne, das er als Eigentum erwarb, nachdem Herr von Minnigeroda 1687 sein Steinhaus in der Rittergasse vollendet hatte. Das Ramspecksche Wohnhaus hatte demnach als Posthalterei eine recht günstige Lage.
Im Jahre 1705 war es Hessen-Darmstadt nach einigen Schwierigkeiten gelungen, in der freien Reichsstadt Frankfurt eine Poststation zu errichten. 1709 wurde die Expedition in das hessische Palais auf der Zeil verlegt, wo sie bis 1808 blieb. Der schon seit 1690 bestehende hessisch-sächsische Postkurs scheint bis dahin noch auf ziemlich schwachen Füßen gestanden zu haben, denn im Jahre 1715 schloss Landgraf Ernst Ludwig von Hessen einen Vertrag mit Sachsen-Weimar, wonach ein „Hessisch-Sächsischer Sammtwagenkurs“ von Frankfurt über Friedberg-Berstadt-Hungen-Grünberg-Romrod-Alsfeld-Niederaula-Hersfeld-Berka-Eisenach eingerichtet wurde.
Im Jahre 1730 trat das hessische Postwesen in einen weiteren wichtigen Entwickelungsabschnitt ein. Der Landgraf erließ eine Verordnung, wodurch die seitherige Kanzleipost zu einer öffentlichen, jedermann zugänglichen Verkehrsanstalt gemacht wurde. Im Oberfürstentum Hessen wurde das Postwesen probeweise auf 4 Jahre dem Ökonomus Oswald und dem Kriegskassier Thom zu Gießen übertragen. Eine neue Hessen-Darmstädtische Brieftaxe erschien am 28.03.1730. Danach kostete ein Brief von Alsfeld bis Gießen 2 Albus und nach Darmstadt 4 Albus. Ein Jahr später, im März 1731, schuf der Landgraf einen neuen Postanschluss von Alsfeld nach Gießen. Es hatte sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass die an die Beamten zu Alsfeld gerichteten amtlichen Schreiben, wie auch die Privatkorrespondenz, die seither durch einen einmaligen Botengang besorgt wurden, sich gar zu lange verzögerten. Deshalb wurde bestimmt. „dass anstatt gedachten Botenganges eine ordentliche Relais von Gießen auf Grünberg, der die Ämter Homberg an der Ohm und Burggemünden zugleich inkorporiert sind, und Alsfeld angelegt werde“. Die Posten gingen Dienstags und Samstags morgens um 8 Uhr in Darmstadt ab. Sie sollten bei guter Zeit in Frankfurt ankommen und ½ Stunde vor Sperrung der Tore wieder abgehen, damit sie Mittwochs und Sonntags früh mit anbrechendem Tage zu Gießen einträfen. Von hier wurden dann die Briefe nach Alsfeld und Wetzlar weiterbefördert. Zunächst sollte diese Postverbindung zwischen Gießen und Alsfeld durch Boten zu Fuß erledigt werden, bis sich zeigte, ob die Strecke rentabel genug sei, um reitende Posten auf derselben einzuführen. Hielt sich der Landgraf im Jägertal bei Romrod auf, so sollten für die ganze Dauer dieser Zeit reitende Posten zwischen Gießen und Alsfeld verkehren.
Die Brieftaxe war folgende:
Von Alsfeld nach Grünberg: 1 Albus
Von Alsfeld nach Gießen: 2 Albus
Von Alsfeld nach Wetzlar: 2 Albus
Von Alsfeld nach Frankfurt: 3 Albus
Von Alsfeld nach Darmstadt: 4 Albus
Portobefreiungen wurden damals in weitgehendstem Maße gewährt. Nicht nur die Mitglieder des Fürstenhauses, die Minister, geheimen Räte und Generale waren befreit, sondern eine ganze Menge anderer staatlicher Beamten. Teilweise Portobefreiung genossen z.B. die Universitätsprofessoren, Kammerdiener, usw. „Notorisch Arme“ genossen Portofreiheit, wenn sie sich genugsam legitimierten und ihre Briefe bei dem Botenmeisterei-Controlleur abstempeln ließen.
Als Hans Jakob Ramspeck am 15.10.1731 starb, wurde sein Sohn Johann Henrich Ramspeck zum fürstlichen Zollverwalter und Posthalter in Alsfeld ernannt. Er hatte, wie sein Vater, das Alsfelder Postwesen sehr im Stande. Zur Führung des Eisenacher Postwagens hielt er 12 Pferde, die oft, besonders zur Messzeit, nicht ausreichten, sodass er die Hilfe von Alsfelder Pferdebesitzern in Anspruch nehmen musste. Hierbei wurden ihm öfters von den Bürgern Schwierigkeiten gemacht. Er wandte sich deshalb im August 1734 beschwerdeführend an den Landgrafen und bat um einen Erlass an die Beamten, die Bürger zu außerordentlichen Postfuhren, wie dies anderwärts auch der Fall war, anzuhalten. Diesem Wunsche wurde stattgegeben. Ramspeck ließ ferner auf seine Kosten den bei ihm im Dienste stehenden Postknechten für die Extraposten, Courrier- und Stafettenposten eine besondere hessen-darmstädtische „Liverey“ anfertigen. Nur bei Führung des Eisenach-Frankfurter Postwagens mussten sie in der kaiserlichen Uniform erscheinen. Gleichzeitig bat er den Landgrafen, ihm den Charakter als Postverwalter beizulegen. Er schreibt: „Die durchreisenden Passagiers, worunter zum öftern unruhige Köpfe sind, würden in meinem Hause sich ruhiger aufführen und mir mit größerm Respekt begegnen, wann ich nicht bloß als Eisenacher Posthalter zu considerieren stünde, sondern die Gnade hätte, in einem Charakter von Ew. Hochfürstl. Durchlaucht zu stehen.“ „Nicht aus einer Privat-Ambition heraus“, so schreibt er, wolle er diese Bitte vortragen, sondern um deswillen, damit er „das Postwesen zu Alsfeld mit mehrerer Autorität und zu des Fürsten hohen Honneur in Stand bringen“ könne. Durch landgräfliches Dekret vom 12.08.1734 wurde Ramspeck zum fürstlich hessischen Postverwalter in Alsfeld ernannt.
Im Januar 1741 ging das Gerücht, der Eisenacher Postwagen solle die seitherige Route über Alsfeld nicht mehr passieren, sondern über Fulda nach Frankfurt gehen. Die Städte Alsfeld und Grünberg waren auf der Hut und rüsteten sich zur Abwehr dieser drohenden, für sie so außerordentlich schädlichen Maßnahme. Glücklicherweise kam dieser Plan aber nicht zur Ausführung.
Am 23.03.1742 starb der Postverwalter Johann Henrich Ramspeck im Alter von 45 Jahren, und seine Witwe Anna Klara Ramspeck, geborene Schäfer aus Marburg, führte zunächst den Postdienst weiter. Ihre Lage war schwierig, da sie mit 8 unmündigen Kindern, von denen der älteste Sohn erst 19 Jahre alt war, allein da stand. Aber die tapfere Frau verzagte nicht, obwohl sie einen großen Haushalt, ihren Kramhandel, die Zollverwalterei und den Postdienst zu versehen hatte. Am 31.03.1742 wandte sie sich an den Landesfürsten mit der Bitte, ihr Post- und Zollwesen wie seither zu überlassen. Die Postmeisterin Heynin zu Eisenach hatte ihr schon zugesagt, dass sie die Besorgung des Eisenacher Postwagens wie seither beibehalten dürfe. Auch die hessischen Behörden waren ihr geneigt. Die Alsfelder Amtleute stellten ihr das Zeugnis aus, dass „die Mutter, die Supplikantin, eine feine, vernünftige Frau“ sei, welche mit Hilfe ihrer 2 ältesten Söhne sowohl die Post als auch die Zollverwalterei wohl versehen könne. Am 11.04.1742 wurde ihr denn auch ein landgräfliches Dekret über die Zoll- und Postverwaltung zu Alsfeld ausgestellt. Was die Zollverwaltung anging, so wurde ihr zur Bedingung gemacht, diese durch „ein tüchtiges Subjektum, das bei dem nächsten Landzollschluss in Pflichten genommen“ werden sollte, zu versehen. Sie wählte dazu ihren ältesten Sohn Hans Jakob, der auch die obrigkeitliche Bestätigung erhielt. Der zweite Sohn Johann Peter unterstützte die Mutter in der Postverwaltung.
Damals war es noch üblich, dass die eingegangenen Postsendungen von dem Adressaten abgeholt werden mussten. Am Posthause hing deshalb eine große Tafel aus, auf welcher die Empfänger verzeichnet standen. Am 26.05.1742 beschwerte sich ein Alsfelder Bürger, des Postmeister Ramspecks Erben hätten eigenmächtigerweise einen hiesigen Bürger, Johannes Falkenhainer, damit beauftragt, die Briefe alsbald nach Eintreffen der Post auszutragen „damit dieser Träger einen Kreuzer capieren möge.“ Dieses sei „hiesigen Orts gar nicht üblich, da die Korrespondenten gewohnt sind, ihre Briefe selbst abzuholen; der Postmeister möge diese unbefugte Neuerung verbieten und erst dann, wann nach ausgehängter Post-Charte ein Posttag oder mehrere verstrichen, und die Briefe von den Einheimischen nicht abgeholt worden sind, dieselben alsdann ad aedes zu schicken.“
Nach der im Jahre 1744 neuerschienenen Brief-Tax-Ordnung bei der Kaiserlichen Postverwalterei in Darmstadt betrug das Porto für einen gewöhnlichen Brief von Alsfeld nach Darmstadt: einfach 6 Kreuzer, doppelt 8 Kreuzer.
Als die Witwe Ramspeck am 19.01.1753 starb, bewarb sich ihr zweitältester Sohn, Johann Peter Ramspeck, der bis dahin die Mutter im Postwesen eifrig unterstützt hatte, um die erledigte Stelle. Da die Familie Ramspeck das Alsfelder Postwesen zur allseitigen Zufriedenheit geführt hatte, so wurde dem jungen Ramspeck auch von der Eisenacher Behörde, die über die Expedition des Kaiserlichen Postwagens zu verfügen hatte, die Zusicherung zuteil, dass er ihn fernerhin weiterführen dürfe. Auch der Alsfelder Amtsbericht an den Landgrafen vom 18.05.1753 sprach sich außerordentlich lobend über Ramspeck aus. Da „der Bürger und Cramer Johann Peter Ramspeck allhier als ein feiner Mensch, an dessen Aufführung nichts auszusetzen, zur hiesigen Postverwaltung vor andern schicklich, das elterliche Haus auch zur Post wohlgelegen und aptiret ist“, so wurde er amtlicherseits in Vorschlag gebracht. Am 17.09.1753 wurde das landgräfliche Dekret für Johann Peter Ramspeck als Postverwalter ausgestellt, aber schon am 2. Oktober desselben Jahres ereilte den 29-jährigen der Tod.
Um seine Stelle bewarb sich der jüngere Bruder, Johannes Ramspeck, der damals im Alter von 24 Jahren stand. Da sich der Amtsbericht günstig für ihn aussprach, wurde ihm am 08.02.1754 die Stelle als Postverwalter übertragen. Gleichzeitig hatte sich auch der Bürger und Bäckermeister Johann Jakob Hartmann zu Alsfeld um die erledigte Stelle beworben. Er bat um ein Privilegium über das Extrapostwesen auf Lebenszeit und bot 100 Reichstaler zur Generalkasse. Die Familie Ramspeck verwaltete den Eisenacher Postwagen und die Extraposten ohne jede Abgabe; der jeweilige Inhaber musste lediglich eine Kaution stellen. Johannes Ramspeck kam in eine unglückliche Zeit hinein. Er war noch jung und unerfahren; er hatte auch zudem keine allzu große Lust zum Postwesen, und der ausgebrochene 7-jährige Krieg nahm ihm völlig allen Mut. Jahraus, jahrein wurde Alsfeld und die Umgegend durch Truppendurchzüge und Einquartierungen schwer heimgesucht; das Postwesen litt not. Ramspeck konnte sich schließlich nur noch 3 Postpferde halten. Die Klagen häuften sich; 1760 verzichtete er auf die Führung des Eisenacher Postwagens und besorgte nur noch die Extraposten. Aber auch damit stand es schlecht. Während sonst zur Zeit der Frankfurter Messe 40-50 Extraposten in Alsfeld befördert wurden, waren es von Oktober 1761 bis März 1762 kaum 6. Die Stadt erlitt dadurch natürlich unermesslichen Schaden. Man erwog amtlicherseits, ob man dem Ramspeck nicht das Postwesen ganz entziehen und es dem Bürger und Handelsmann Johann Georg Schwartz übertragen sollte, der seit 1760 den Eisenacher Postwagen führte. Am 17.05.1762 wurde Ramspeck die Post entzogen und Schwartz zum Postverwalter in Alsfeld ernannt. Dabei wollte man Ramspeck möglichst schonend behandeln und ihm die Sache so leicht wie möglich machen. Den Vorschlag, seine 3 Pferde und sonstiges Material, wie Wagen usw., an Schwartz zu verkaufen, nahm er nicht an. Dagegen erbat er sich als fürstliche Gnade die Erteilung der Personalfreiheit. Schwartz wird in den Amtsberichten als ein tüchtiger Postverwalter genannt, den man unterstützen müsse, da sonst leicht die Post von Eisenach-Hersfeld über Fulda nach Frankfurt geführt werden könnte. Schwartz hatte sich am 23.03.1763 bei dem Landgrafen beschwert; der Krieg verursachte ihm Schaden; die Teuerung des Futters erschwerte ihm den Unterhalt seiner 10 Postpferde; widerspenstige Untertanen im Alsfelder Bezirk wollten ihre Pferde nicht zu Vorspanndiensten hergeben, obwohl über 100 Pferde allein in Alsfeld waren; „der Passagier rumort im Haus, und die Route kommt in einen üblen Ruf“. Der Landgraf unterstützte ihn, dieweil „uns an der Aufrechthaltung unsers Postregalis zu Alsfeld sehr gelegen.“ Die Untertanen wurden angehalten, dem Schwartz bei Gelegenheit Vorspanndienste zu leisten, wie dies ja auch überall in anderen Städten Brauch sei. Alsfeld habe den Vorteil von der Straße und müsse deshalb auch Opfer bringen. Eine andere Schwierigkeit, die dem Postverwalter entstand, war das sogenannte Nebenfahren der Bürger. Pferdebesitzer, Privathauderer und dergleichen Leute machten der Post die Reisenden abspenstig und beförderten sie mit ihren eigenen Fuhrwerken. Dagegen war nicht viel zu machen. Schwartz beschwerte sich zwar im Jahre 1768 bei dem Landgrafen, aber Bürgermeister und Rat waren selbst der Ansicht, dass man den Reisenden nicht zumuten könne, immer auf die Post zu warten. Wenn jemand Gelegenheit hätte mit einem Halbchaischen, das mit 2 Pferden bespannt sei, zu fahren, so käme er billiger dazu, als wenn er die Post benutzen müsse, die stets mit 3 Pferden bespannt sei.
Als der Postverwalter Schwartz im Anfang des Jahres 1770 starb, meldeten sich 3 Bewerber um die erledigte Stelle:
1. des verstorbenen Schwartzen, Posthalters, Kinder,
2. der Bürger und Gasthalter Johann Georg Weitz und
3. der Ratsverwandte Lorenz Knierim.
Nach dem Amtsbericht war ersteren die Posthalterei mehr schädlich als nützlich der zweite wurde zwar für nicht ganz unschicklich, aber doch nicht so tüchtig als der Ratsverwandte Knierim gehalten. Letzterer war bereits von dem Erbpostmeister Krumm zu Eisenach für den kaiserlichen Postwagen von Eisenach nach Frankfurt präsentiert worden. Er hatte 20.000 fl. Vermögen, ein schönes neugebautes Haus [04] mit allen Bequemlichkeiten für die Passagiere und war in der Lage eine gute Kaution zu stellen. Die Stimme der reichen Leute ist bekanntlich lauter als die der weniger Begüterten. Knierim war seit 1763 im Rate der Stadt; er genoss Ansehen in der Metzgerzunft und hatte auch zudem 1766/1767 den Bürgermeisterposten der Stadt bekleidet. Durch landgräfliches Dekret vom 19.04.1770 wurde daher Johann Lorenz Knierim zum Posthalter in Alsfeld bestellt. Gleich bei seinem Dienstantritt gab es heftigen Streit. Der obenerwähnte Erbpostmeister, Hofrat und Dr. medicinae Krumm zu Eisenach, als Besitzer des Eisenacher Postwagens, sandte seinen Bruder, den Advokaten Johann Lorenz Friedrich August Krumm aus Eisenach nach Alsfeld, um Knierim in den Dienst einzuweisen. Als der Postwagen gerade ankam, ließ er ihn vor das Knierimsche Haus in der Obergasse führen. Dann schickte er seinen Begleiter, den Postofficianten Opelt, zu den Schwartzschen Kindern und ließ um die Schlüssel zur Postlade bitten. Der Vormund Frieß hatte nichts dagegen einzuwenden, aber die Schwartzschen Erben, durch ihren Vetter, den Marktmeister Leußler aufgehetzt, widersetzten sich und beleidigten die Eisenacher Beamten, indem sie dieselben als „Eisenacher Bagagezeug“ bezeichneten. Ja, sie begaben sich sogar vor das Knierimsche Posthaus und führten den Wagen gewaltsam von dort weg vor ihr Haus. Diese widerspenstige Handlungsweise hatte einen Auflauf in der Stadt verursacht. Krumm suchte die Hilfe des Amtmanns Hallwachs. Dieser war jedoch abwesend. Als er zurückkam, machte er Ausflüchte und entschuldigte sich damit, er habe noch keine Befehle von oben her. Krumm beschwerte sich daher am 18. Mai bei der Darmstädter Regierung und reichte einen Bericht ein. In demselben werden die Vorgänge genau geschildert und eine Kostenrechnung aufgestellt, die von den Schwartzschen Erben für vergebliche Reisekosten, Diäten und Schadenersatz zu zahlen sei, im ganzen 70 Reichstaler. Nun gingen denselben die Augen auf. Als sie vor den Amtmann geladen wurden, um sich zu verantworten, gaben sie klein bei und suchten die Sache als ganz harmlos hinzustellen. Ihrer Leistungsfähigkeit wurde kein günstiges Zeugnis ausgestellt. Es heißt: „Der Schwartzen Erben Pferde sind von so elender Beschaffenheit, dass selbige zeithero mit der Fahrt von Alsfeld (bis Eisenach) jedesmal 12 Stunden zugebracht, auch ferner den Wagen neulich in Eif, 1 Stunde von Alsfeld, die ganze Nacht hindurch liegen lassen.“ Der Schaden, welcher dem Eisenacher Postamt dadurch entstanden war, wurde mit 50 Reichstalern veranschlagt, außerdem waren sie dem Postamt mehr rückständiges Geld schuldig, als ihre geringe Kaution betrug.
Knierim übernahm nun die Alsfelder Post; aber kaum war dies geschehen, so wurden heftige Klagen über ihn laut. Bereits im Januar 1771 kam eine Beschwerde wegen zurückgehaltener Postgelder; eine Untersuchung wurde in die Wege geleitet. Bald danach ging ein von dem Herrn von Schenck zu Schweinsberg in Rülfenrod aufgegebener „beschwerter Brief“ mit 8 Dukaten und 9 Louisdor Inhalt auf der Post zu Alsfeld verloren. Die Angelegenheit wirbelte viel Staub auf, und Knierim geriet in große Verlegenheit. Wenn er auch, wie sich später herausstellte, an allen ihm zur Last gelegten Verfehlungen unschuldig war, so war er doch von dem Vorwurf, dass er sich um das Alsfelder Postwesen nur mangelhaft gekümmert hatte, nicht freizusprechen. Knierim hatte bei Übernahme der Post auf Johanni 1770 einen Postoffizianten namens Stephan Joseph Stock aus Köln eingestellt, der zugleich auch bei den reisenden Gästen im Knierimschen Hause Aufwärterdienste verrichtete. Stock, der im Alter von 32 Jahren stand und katholischen Glaubens war, hatte zu Köln die Handlung erlernt. Er war später Werbern in die Hände gefallen, unter anderen auch einmal mit einer verheirateten Frau durchgegangen. Eine Zeitlang hatte er sich mit Privatinformation von Kindern ernährt. Er hatte eine gute Erziehung genossen, war der lateinischen Sprache mächtig und stammte aus guter Familie. Sein Bruder war Canonikus in Meschede. Diesem Menschen, der fremd nach Alsfeld kam, über dessen Lebensgeschichte vorher niemand Bescheid wusste, überließ Knierim arglos das Alsfelder Postwesen. Bald nach dem Verschwinden des Schenckschen Briefes, am 24.02.1771, entfernte sich Stock heimlich aus dem Knierimschen Hause und schlug den Weg nach Grünberg zu ein. Knierim schickte seinen Sohn nach, der den Postoffizianten in Ermenrod einholte und zur Umkehr bewegte. Da man Fluchtverdacht hegte, ihm auch die anderen zahlreichen Unregelmäßigkeiten auf der Post zutraute, so wurde er vorerst im Hause des Amtsdieners inhaftiert. Knierim ließ ihn vor das Amt fordern, wo er Auskunft über den verlorenen Brief geben sollte. Anfangs leugnete er; dann aber stellte er eine schriftliche Bescheinigung aus, dass der Brief durch seine Schuld verlorengegangen sei.
Nachdem Stock das Amtshaus verlassen hatte, machte er sich heimlich in Gesellschaft eines Liederbachers auf den Weg nach Grünberg. Kaum war er fort, so erschien wieder ein Bürger und meldete den Verlust von 6 fl. Knierim ließ dem Stock sofort nachjagen und ihn durch einen Husaren ins Alsfelder Gefängnis bringen. Dort lag er 2 Monate, solange die amtliche Untersuchung währte. Inzwischen hatte sich Krumm in Eisenach an das Alsfelder Amt gewandt und dieses gebeten, den Knierim zu veranlassen, dass er gutwillig den entstandenen Schaden ersetzen sollte. Dieser war, da er ja die Verantwortung trug, dazu bereit, wollte sich aber an Stock schadlos halten. Nachdem dessen Geschwister sich bereit erklärt hatten, Ersatz zu leisten, wurde Stock auf freien Fuß gesetzt.
Knierim hatte offenbar keine rechte Freude an der Führung des Eisenacher Postwagens. Er hatte sich 10 Pferde angeschafft, 4 Chaisen und 3 Extrawagen und sonstiges Zubehör. Futter und Unterhaltungskosten waren nach dem Kriege sehr teuer. Der Verkehr war schlecht; die Post wurde nach Knierims Aussage fast nur noch für den Güterverkehr benutzt und mit Gewicht überlastet. Er machte bei seinem Betrieb schlechte Geschäfte und bat deshalb Krumm um einen Zuschuss zu den Kosten. Dieser war davon gar nicht erbaut; er hatte es auch mit Missbehagen gesehen, dass Knierim auf eigne Kosten ein großes hessisches Wappen am Posthause hatte anbringen lassen, während er das Eisenacher Hoheitszeichen wegließ. Zudem hatte ihm Knierim schon zweimal, am 16. Februar und am 13. April, zu verstehen gegeben, dass ihm an der Führung des Postwagens gar nichts gelegen sei, und dass er bereit sei, jederzeit darauf zu verzichten. Krumm war verstimmt; nun kam auch noch Stock aus dem Alsfelder Arrest zu ihm und schürte das Feuer. Er ließ Stock vor einem Notar eidliche Aussagen über die Alsfelder Postverhältnisse machen; aber dieser blieb nicht bei der Wahrheit, sondern log, wo er konnte. So verstieg er sich z.B. zu der Behauptung, Knierim habe ihm den Revers abgeschwindelt und ihn damit hintergangen. Es wurde aber später nachgewiesen, dass er ihn in Gegenwart zweier Zeugen ausgestellt hatte. Er nannte den Knierim „einen Knauser“, während dieser ihn als „Söffer“ bezeichnete. Knierim schrieb anfangs August an Krumm: […] ist Ihnen das nicht recht, so sage ich heute den Wagen vom 3. August auf. Ich kann doch leben; keine Extra kommen mehr, alles über Fuld; 10 Pferd zu halten, 3 Knechte kosten Geld. Glauben Sie gewiß, ich lasse den Wagen stehen.“ Der Erbpostmeister war aufs Höchste aufgebracht und fürchtete für seinen Betrieb. Am 05.08.1771 beschwerte sich Krumm bei dem Landgrafen von Hessen, der damals in Pirmasens wohnte, über den Posthalter Knierim. Die einzelnen Beschwerdepunkte sind folgende:
1.) die Hersfeldische Poststation sowohl als die zu Niederaula haben gerechte Klage über die große und außerordentliche Unordnung des Postverwalters Knierim zu führen.
2.) diejenigen, welche Geldbriefe oder Pakete zu Alsfeld aufgeben, klagen über taxwidrige Überteurung.
3.) die Reisenden, welche mit dem Postwagen fahren, klagen, dass sie wegen der ganz untauglichen und elenden Beschaffenheit der Knierimschen Pferde fast nicht von der Stelle gebracht werden können. Sie haben verschiedentlich öffentlich erklärt, diese Route niemals wieder zu passieren.
4.) Äußerste Unsicherheit herrscht bei Knierim, da ein Brief mit 8 Dukaten und 9 Louisdor von H. v. Schenck zu Rülfenrod auf dessen Station entkommen, und neulich aus einem zu Frankfurt aufgegebenen und an den Tuchmacher Taschner allhier (zu Eisenach) gerichteten Geldbrief 9 Louisdor entwendet worden.
5.) Knierim hat selbst unterm 16. Februar und 13. April sich von dem mit ihm geschlossenen Vertrag freiwillig losgesagt. –
Am 27.05.1771 machte Krumm den Vorschlag, den Knierim zu entlassen und an seiner Stelle den Schwanenwirt Weitz anzunehmen. Diesen Vorschlag machte sich auch die Gießener Regierung am 11. September desselben Jahres zu eigen.
Inzwischen wurden weitere Klagen laut, die ihre Ursache in der schlechten Amtsführung des Stock gehabt hatten. Noch ehe Knierim Gelegenheit gegeben war, sich zu verteidigen, erwog man amtlicherseits seine Absetzung. Zum Glück war der Amtmann Hallwachs zu Alsfeld mit Knierim innig befreundet und schützte ihn, soweit es ihm möglich war. Als Knierim in der Stadt das Gerücht hörte, dass man ihm die Post abzunehmen gewillt sei, schickte er eine umfangreiche Rechtfertigungsschrift an den Landgrafen. Trotzdem wurde er am 06.11.1771 vom Amt suspendiert und die Posthalterei dem Schwanenwirt Johann Georg Weitz übertragen. Dieser kam aber gar nicht zur Ausübung des Dienstes. Es wurden ihm nur unnötige Anschaffungskosten verursacht. 4 Wochen später kam der fürstliche Gegenbefehl, den Knierim weiter im Dienste zu lassen und die Untersuchung zu beschleunigen. Knierim, ein angesehener und reicher Mann, war durch die zahlreichen Klagen beim Publikum in ein schlechtes Licht gekommen und musste für sein Ansehen fürchten. Dass die fatale Sache auf eine glatte Weise aus der Welt geschafft werden musste, lag in seinem eigenen Interesse. Er reiste also nach Eisenach zu dem Erbposthalter Krumm und sprach sich mit demselben aus. Es kam zur Einigung. Krumm besuchte sogar kurz danach mit seiner Frau den Knierim in Alsfeld und stellte ihm bei dieser Gelegenheit ein Zeugnis aus, in welchem er ihn „zu seiner Beruhigung für einen ehrlichen und unbescholtenen Mann“ erklärte. Er dokumentierte auch, dass sie miteinander abgerechnet hätten, und dass Knierim nicht nur nichts schuldig sei, sondern sogar noch überzahlt hätte. Diese Dokumente legte Krumm dem Amtmann vor, und damit war der unerfreuliche Zwischenfall aus der Welt geschafft.
Der Postverkehr vollzog sich in dieser Zeit in folgender Gestalt:
Fahrplan des Krummschen Postwagens:
[es folgt ein detaillierter Fahrplan mit täglichen Fahrtzeiten zwischen
Frankfurt
Friedberg
Berstadt
Grünberg
Alsfeld
Hersfeld
Eisenach]
[Siehe Erstveröffentlichung]
Von Frankfurt bis Alsfeld inclusive wird der gute Groschen zu 4 Kreuzer, hinter Alsfeld bis Sachsen aber 24 gute Groschen auf einen Reichstaler nach dem 20 Guldenfuß gerechnet. –
Posttaxe: (Auszug aus der Eisenacher Postordnung)
Die sich auf den Wagen setzenden Passagieres bezahlen von der Meile 6 Batzen, wovor sie 50 bis 60 Pfund höchstens an Bagage frey haben, das Übrige oder die Überfracht muß nach der Zentner-Tax bezahlet werden. Vor einfache und nicht beschwerte Briefe wird bezahlet:
von Alsfeld nach Hersfeld: 1 Batzen
von Alsfeld nach Berka: 1½ Batzen
von Alsfeld nach Eisenach 1½ Batzen
von Alsfeld nach Grünberg: 1 Batzen
von Alsfeld nach Hungen: 1 Batzen
von Alsfeld nach Friedberg: 1 Batzen
von Alsfeld nach Frankfurt 1½ Batzen
Sind die Briefe stärker, so wird nach Proportion mehr davon genommen, oder, wenn man spüren sollte, dass viele Briefe zusammen gepackt wären, so leget man solche auf die Wage und lässet sich vor jedes Lot ebensoviel bezahlen, als ein einfacher Brief kostet. –
Im Juni 1776 kam Johann Lorentz Knierim, der damals auch das Bürgermeisteramt verwaltete, bei der Behörde um Verleihung des Titels „Postmeister“ ein. In Anbetracht seiner „guten Haltung auf dem Landtag zu Butzbach“ wurde seine Bitte gewährt. Gleichzeitig hatte er darum gebeten, ihm seinen Sohn Johann Friedrich als Beihilfe im Postdienst zu geben. Die Ernennung stieß auf Schwierigkeiten, weil der Verlust eines Kästchens, woran Knierim jun. schuld sein sollte, noch nicht aufgeklärt war. Auch hieß es, dass der junge Knierim „zu einem Postspediteur, geschweige Posthalter, noch sehr viel mehr Verstand“ benötige. Dennoch wurde er am gleichen Tage wie der Vater befördert und am 20.07.1776 zum Post-Spediteur in Alsfeld ernannt. Beide sollten wegen der Wagenspedition dem Eisenacher und wegen der Briefpost dem Gießener Postamt subordiniert sein. Knierim jun. wurde in Gießen vereidigt, und beide erhielten am 10.02.1778 ihre Instruktion.
Im Juli 1777 übernahmen der Landgraf von Hessen-Darmstadt und der Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach den schon lange bestehenden „Samtwagenkurs“, den bisher der Eisenacher Hofrat Krumm gefahren hatte, und übertrugen diesem den „Ordinari-Wagen“ wieder als Lehen. Damit waren für die Posthalter der Strecke Frankfurt-Eisenach kleine Veränderungen verbunden. Knierim musste u.a. 500 Reichstaler Kaution stellen. Bei der Abschließung der neuen Verträge mit den Posthaltern hielt es schwer, für Grünberg und Berstadt jemanden zu bekommen, der die Führung des Postwagens übernehmen wollte. Nur nach Bewilligung einer Extrazulage von 6 Klaftern Brennholz und Accisfreiheit für 1 Stück Wein fanden sich an beiden Orten Leute. Diese Bevorzugung ärgerte Knierim, und er machte wiederholt Gesuche an den Landgrafen um die gleiche Vergünstigung. Auch war er im Gehalt wesentlich schlechter gestellt als seine beiden Kollegen zu Grünberg und Berstadt. Dabei hatte er zweifellos die schwierigste und unangenehmste Strecke zu fahren. Er musste wöchentlich zweimal die Straße von Alsfeld nach Niederaula hin und her fahren. Der Weg war sehr schlecht. Von den beiden Nachbarn Hessen-Darmstadt und Hessen-Cassel tat keiner viel zur Instandsetzung der Grenzstraße. Der Wagen blieb daher gar manchmal unterwegs stecken. Ums Jahr 1780 wurde er sogar eines Tages räuberischer Weise überfallen. Die Spitzbuben führten Pferde und Wagen in einen benachbarten Sumpf, wobei Knierims bestes Pferd, das ihn 74 Rthlr. gekostet hatte, verloren ging. 4 Pferde sollten in der Regel den Postwagen ziehen, aber Knierim brauchte meistens deren 6. Außerdem war im Kurhessischen der 20 Gulden-Münzfuß eingeführt, während im Darmstädtischen der „leichte Münzfuß“ herrschte. Knierim hatte daher unterwegs durch die Münzverschiedenheit stets erhebliche Nachteile, wenn er Futter usw. einkaufen wollte. Seine jährliche Besoldung betrug im Jahre 1790 669 fl. 18 alb. Frkf. W.
Seine beiden Kollegen waren weit besser daran. Der Grünberger Postmeister holte den Postwagen in Alsfeld ab und führte ihn über Grünberg bis Berstadt, wöchentlich 2 mal hin und her. Dafür bezog er 1.600 fl. Fr. W. Der Posthalter zu Berstadt fuhr den Wagen auf der Strecke Berstadt-Frankfurt wöchentlich 2 mal hin und zurück für jährlich 1.000 fl. Beide hatten gute Straßen und keine Valutaschwierigkeiten.
Es ist eine merkwürdige Erscheinung, dass der Postmeister Knierim in seinen Bemühungen um eine Gehaltserhöhung stets betont, dass die Posthaltung für ihn unrentabel, ja sogar schädlich sei, und dass er schließlich, wie seine beiden Vorgänger Schwartz und Ramspeck, an dem Postwesen zu Grunde gehen müsse; andererseits aber hängt er sich schwebend daran, dass der Postdienst in seiner Familie bleibt. Es kann also doch wohl nicht ganz so schlimm gewesen sein, wenn auch anerkannt werden muss, dass die Alsfelder Post längst nicht mehr auf der Höhe war wie vor dem 7-jährigen Kriege. „Eine Poststation, welche nur bloß den ordinären Wagen fährt und wo keine Extraposten ankommen, ist schon eine verdorbene Station“, schreibt Knierim.
Der Krieg, der die Alsfelder Gegend schwer mitgenommen hatte, die schlechte Beschaffenheit der Wege an der Grenze, die Konkurrenz der Strecke über Fulda und nicht zuletzt die Unhöflichkeit der Alsfelder Postmeister richteten die einst gute Poststrecke über Alsfeld ganz zu Grunde.
Als sich Vater Knierim in den Jahren 1789 und 1794 für seinen Sohn um die Nachfolge im Postdienste bemühte, wurde ihm von der Gießener Behörde vorgehalten, die Knierimsche Familie sei durch ihre Unhöflichkeit gegen die Passagiere öfters unangenehm aufgefallen. So habe sich z. B. der Kurbrandenburgische Wahlbotschafter im Jahre 1790 über die Grobheit des Postmeisters Knierim bei dem Landesfürsten beschwert, sodass er einen Verweis erhalten habe, auch habe der hohe Herr seinem Gefolge einen anderen Weg angewiesen. Er selbst sei aus der Heimreise von der Kaiserwahl zu Frankfurt nicht mehr über Alsfeld gefahren.
Als man den Amtmann Hallwachs darüber hörte, äußerte er sich folgendermaßen: „Bei den Einwohnern in der Stadt Alsfeld zeichnet sich überhaupt der Nationalcharakter in grober Sitte aus, womit ein jeder sein Privatinteresse aufsuchet und ist auch darunter die Postmeister Knierimsche Familie ziemlich renomiert.“ Man hatte in früheren Jahren dem alten Knierim Hoffnung gemacht, dass nach seinem Abgang der Sohn mit der Nachfolge betraut werden sollte. 1795 erneuerte der junge Knierim die Bitte des Vaters. Am 30.05.1795 wurde Knierim sen. in den Ruhestand versetzt und Johann Friedrich Knierim zum Postverwalter in Alsfeld ernannt. Im Oktober stellte er sein ganzes Vermögen als Kaution und unterzeichnete den Revers nebst der Instruktion. Im folgenden Jahre erneuerte der „unersättliche Knierim“ sein Gesuch um die Holzzulage, wurde aber vom Hof abgewiesen, da er sich mit diesem Ersuchen nach Eisenach wenden müsse. 1798 beschwerte man sich gegen ihn wegen angeblicher Portoüberteuerung. Es stellte sich aber heraus, dass er unschuldig war, da die Eisenacher und die Darmstädter Taxe nicht miteinander übereinstimmten.
Die Jahrhundertwende mit ihren stürmischen politischen Ereignissen brachte auch im Postwesen allerlei Neuerungen und Änderungen. Nach dem Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803 erfolgte eine Neugestaltung der Landespost. Für die Briefpost wurden 3 Hauptbüros und 30 Nebenbüros errichtet; darunter war auch Alsfeld. Die Vorsteher der Postnebenbüros bezogen keine feste Besoldung, sondern einen bestimmten Teil der Einnahmen, etwa ¼ —½ Prozent. Das Porto betrug nach der damaligen Landes-Brieftaxe für einen Brief bis zu 1 Loth:
von Alsfeld nach Gießen: 4 Kreuzer
von Alsfeld nach Darmstadt: 8 Kreuzer
Von Darmstadt bis Gießen bestand eine wöchentlich 3-malige Postverbindung, die Mittwochs, Freitags und Sonntags morgens in Gießen anlangte. Die Briefpakete nach Alsfeld wurden sogleich durch eine reitende Post nach Grünberg weiter befördert. Dort kamen sie an den genannten Tagen mittags um 12 Uhr an. Um 11 Uhr war inzwischen bereits der Alsfelder Bote mit den Briefschaften aus Alsfeld in Grünberg eingetroffen. Dieser nahm nun um 2 Uhr die Sachen zur Beförderung mit nach Alsfeld.
Die politischen Umwälzungen brachten es auch mit sich, dass Hessen-Darmstadt am 22.04.1804 eine neue Übereinkunft mit Taxis abschloss. Die Folge war die Errichtung einer Fürstlichen Ober-Postdirektion in Darmstadt. 1807 wurde die seither in Frankfurt a.M. bestehende Hessische Postanstalt im „Hessischen Hof“ auf der Zeil aufgehoben und ein neuer Postlehnsvertrag mit Taxis abgeschlossen. Der Fürst Carl Alexander von Thurn und Taxis wurde mit der Würde eines Großherzoglichen Erb-Land-Postmeisters belehnt. Die Errichtung des Königreichs Westfalen mit der Hauptstadt Kassel, im August 1807, brachte wieder Umgestaltungen mit sich. Da der Eisenacher Postwagen durch das Gebiet des Königs Jerome musste, entstanden Schwierigkeiten. Neue Kontrakte mit den Postverwaltern mussten abgeschlossen werden. Westfalen wünschte die Anlegung einer Zwischenstation zwischen Alsfeld und Hersfeld. Die Zeiten waren höchst unruhig, und das Postwesen schwierig aufrecht zu erhalten. Der Eisenacher Postkurs ist in jener Zeit schließlich ganz eingegangen.
Knierim war inzwischen alt geworden und sehnte sich nach Ruhe. Schon 1806 hatte er ein Gesuch eingereicht, ihm seinen Schwiegersohn Philipp Neeb als Assistenten bei der Briefpost beizugeben. 1815 erneuerte er seine Bitte. Das Großherzoglich-Hessische Justiz-Oberamt zu Alsfeld stellte letzterem das Zeugnis aus, dass er „unter die Zahl derjenigen gebildeten hiesigen Bürger gehöre, die sich durch ein ganz tadelfreies Betragen vor allen andern in jeder Hinsicht rühmlich ausgezeichnet“ haben. Da Johann Philipp Neeb schon jahrelang im Postdienst helfend tätig gewesen war und sich dessen würdig erwiesen, ihm „vollkommen gewachsen und sich Ruhm erworben“, so wurde ihm 1816 der Alsfelder Postdienst übertragen.
Im Jahre 1822 zeigen sich die ersten Anzeichen einer eigentlichen Landbestellung. In jedem Landratsbezirk wurden jetzt auf Kosten des Staates 2-3 Amts- oder Distriktsboten unterhalten. Jeder ging 2 mal in der Woche und zwar vom Landratssitze aus zu allen Bürgermeistereien des Bezirkes. Der Lohn betrug jährlich 52 Gulden. Ranzen und Schild mit dem hessischen Löwen kennzeichneten den Boten. Er hatte alle Dienstbriefe jeglicher Behörden unentgeltlich mitzunehmen. Er konnte aber auch Privatschreiben, Pakete, Zeitungen und Wochenblätter bestellen, sofern sie nicht durch die Post besorgt werden konnten. Im November 1822 bestimmte der Landrat Follenius zu Romrod, dass
Briefe von gewöhnlichem Format in Privatsachen kosten: 2 Kreuzer
Schwere Briefe unter 1 Pfund: 3 Kreuzer
Porto von Zeitungen und Regierungsblättern, jährlich: 30 Kreuzer
Pakete und Schachteln bis zu 1 Pfund: 4 Kreuzer
Von jedem weiteren Pfund: 1 Kreuzer
1825 wird bereits geklagt, dass die Beförderung durch die Distriktsboten zu viel Zeit erfordere und nachteilig sei. Trotzdem blieb das Bezirksbotenwesen bis zum Jahre 1863 bestehen.
Zwischen den einzelnen Poststationen wurde im allgemeinen die Briefpost durch reitende Boten besorgt. Nur zwischen Alsfeld und Neukirchen wurden sie durch Fußboten befördert. Am 20.07.1822 erschien eine Verordnung, wonach allen Fuhrleuten, Kutschern, Viktualienhändlern usw. das Besorgen von Briefen verboten war. Im März 1824 musste der Landrat nochmals an die Befolgung dieser Verordnung erinnern. Am 07.06.1823 erließ die Großherzoglich Hessische Regierung der Provinz Oberhessen eine Verordnung an alle Landratsämter, betreffend „das Überfahren diesseitiger Poststationen durch ausländische Postillions und das Fahren derselben in ihrer Montur durch das diesseitige Gebiet“. Fremde Postillions hatten in ihrer fremden Montur hessisches Gebiet durchfahren. Man hatte sie nicht dafür bestraft, sondern nur zur Ablegung derselben veranlasst. In Zukunft sollten sie arrestiert und einige Tage in Haft behalten werden.
1824 gingen …
von Alsfeld nach Lauterbach: 1 Post
von Alsfeld nach Grünberg: 2 Posten
von Alsfeld nach Hersfeld: 2 Posten
Vom 1. August 1825 ab liefen Briefpost von Alsfeld nach Gießen jeden Montag und Freitag, von Alsfeld nach Lauterbach jeden Dienstag und Samstag. Die Briefpost nach Neukirchen ging vom 1. Januar 1826 ab jeden Dienstag und Samstag Mittag.
1837 reichte der Postexpeditor und Posthalter Johann Philipp Neeb ein Gesuch ein, ihm seinen Sohn zum Beistand zu geben mit der Aussicht auf die Nachfolge im Amt. 1840 erneuerte er die Bitte. Durch Dekret vom 4. April 1845 wurde Neeb sen. in den Ruhestand versetzt und gleichzeitig sein lediger Sohn Lorenz Neeb zum Postexpeditor in Alsfeld ernannt. Ferner wurde an demselben Tage der Gastwirt Lorenz Weitz zum Posthalter in Alsfeld auf Widerruf ernannt. Letzterer versah den Dienst bis zu seinem Tode im Jahre 1867. Dann übernahm seine Witwe unter Beistand ihres Schwagers, des Gastwirtes und Ökonomen Weitz, das Amt. Während der Amtstätigkeit des Lorenz Neeb erfuhr das Postwesen eine weitere Ausgestaltung. 1839 schuf England die ersten Briefmarken und gab sie 1840 aus. In Deutschland folgte man erst viel später diesem Beispiel. Preußen führte sie 1850 ein, Thurn und Taxis 1852. Bis dahin hatte Taxis für die einzelnen Postbezirke besondere, mit Nummern versehene Poststempel. Für Alsfeld bestand der Stempel mit der Ziffer 88. Hessen-Darmstadt hatte keine eigenen Briefmarken.
Die politischen Veränderungen des Jahres 1866 führten zu einer Auflösung der Thurn und Taxisschen Postverwaltung. Die Verhältnisse wurden unter Preußens Führung neu geregelt. Im Jahre 1868 erhielt Alsfeld den ersten Anschluss an das Telegraphennetz. Auf Lorenz Neeb folgte im Jahre 1870 dessen Neffe, der Postmeister Johann Lorenz Ludwig Neeb im Dienst. Er hat ihn bis zum Ende des Jahres 1900 versehen.
1885 siedelte die Post aus dem ehemals Knierimschen Hause (jetzt Ruppelsches Haus) in der Obergasse nach dem Haus Ecke Bahnhofstraße und Lutherstraße (jetzt Levisches Haus) über. Am 01.01.1901 wurde das Postgebäude in der Bahnhofstraße bezogen, das nunmehr nach der Eröffnung des neuen Postgebäudes am Ludwigsplatz anderer Bestimmung übergeben wird.
Die Alsfelder Postbeamten
Um 1691 f.: Johann Henrich Heidelbach, Sternwirt, Posthalter
1725-1731: Hans Jakob Ramspeck, Handelsmann, Zolleinnehmer und Posthalter
1731-1742: Johann Henrich Ramspeck, Posthalter, Postverwalter und Zolleinnehmer, des Vorigen Sohn
1742-1753: Anna Clara Ramspeck, Witwe des Vorigen
1753: Johann Peter Ramspeck, der Vorigen Sohn
1754-(1760) 1762: Johannes Ramspeck, der Bruder des Vorigen
1762-1770: Johann Georg Schwartz, Handelsmann und Postverwalter
1770-1795: Johann Lorenz Knierim, Metzgermeister, Posthalter, 1776 Postmeister
1795-1816: Johann Friedrich Knierim, Metzger und Postmeister, des Vorigen Sohn
1816-1845: Johann Philipp Neeb, Postmeister, Schwiegersohn des Vorigen
1845-1870: Lorenz Neeb, Postexpeditor, des Vorigen Sohn
1845-1867: Lorenz Weitz, Posthalter, Gastwirt und Ökonom
1870-1900, XII. 31. Johann Lorenz Ludwig Neeb, Postmeister, des Vorigen Neffe
1901, I. 1901-1909: Georg Schott, Postdirektor
01.07.1909-31.01.1922: Karl Dörge, Postdirektor
01.02.1922-jetzt: Leonhard Wolff, Postdirektor
Postbedienstete, Boten, Briefträger
1659 und 1660: Henrich Keck, Hafner, Stadtbote
1674-1690: Elias Fink, Postbote
1677-1697: Johannes Horst, gewesener Postbote, hat 20 Jahre lang die Post versehen und bittet um Aufnahme ins Hospital. 1704 tot.
1710 und 1711: Johannes Pabst, Postbote, gibt der Stadt einen Bericht über die Wege und Stege. Er ist auch Torschließer am Hersfelder Tor.
1712: Kaspar Horst, Postbote
1727: Johann Heinrich Fenner, Postknecht
1732: Conrad Melchior, Postknecht, aus Eifa
1742-1754: Johannes Falckenhainer, Briefträger
1783: Johann Conrad Melchior, Postbote und Schuhmacher
1821: Postbote Jungblut
1833: Postbote Völker
Anmerkungen:
[01] Heinz v. Lüder, Kommandant der Festung Ziegenhain
[02] Görs, G. Thurn und Taxisches Postwesen. Rostock 1907.
[03] Görs, G., vgl. Fußnote 2.
[04] Das jetzige Ruppelsche Haus in der Obergasse.
Quellen:
Akten des Alsfelder Stadtarchivs, XXV.. Verkehrswesen. –
Postakten des hessischen Staatsarchivs zu Darmstadt, Alsfeld betr., XIV. F. 1. Konvol. 14. — M. Koehler und R. Goldmann, Geschichte des Postwesens im Großherzogtum Hessen. Darmstadt 1909. –
Haaß, H., Das hessische Postwesen bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, in Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, 44. Band, N.F., 34. Band. Kassel 1910. –
Erstveröffentlichung:
Karl Dotter, Vom Postwesen im alten Alsfeld, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 6. Reihe, Nr. 7, 1929, S. 49-64.
[Stand: 06.06.2024]