Von Erhard Nitsche, Alsfeld (1961)
Der Maler Richard Hoelscher gehörte in dem Zeitraum zwischen der Jahrhundertwende und dem zweiten Weltkriege zu jenen bekannten und geschätzten Künstlerpersönlichkeiten in Hessen, deren Schaffen fast ausschließlich um die Darstellung heimatlicher und volkstümlicher Motive kreiste.
Er wurde am 5. Februar 1867 in Alsfeld geboren. Sein Vater war der Fotograf Heinrich Hoelscher, seine Mutter entstammte der bekannten Familie Ehrenklau. Die Realschule seiner Heimatstadt war die Bildungsstätte des Jungen. Hier fand er mehrere Lehrer, welche die Entfaltung seiner auffallenden zeichnerischen Begabung förderten.
Mit sechzehn Jahren, Ostern 1883, verließ er die Schule und begann im Herbst desselben Jahres das Studium an der Akademie der bildenden Künste in Kassel als Schüler von Louis Kolitz, Hermann Knackfuß und anderen Lehrern. Die Kasseler Gemäldegalerie, die er immer wieder besuchte, vermittelte ihm unauslöschliche künstlerische Eindrücke und Anregungen. Die Sommerferien benutzte er zu Naturstudien in seiner Geburtsstadt und in der reizvollen Schwälmer Landschaft.
Dem Wunsche seiner Eltern entsprechend, legte er 1887 in Berlin die Prüfung für Zeichenlehrer an höheren Schulen ab. Nach der Erfüllung seiner Militärpflicht kehrte er 1888 in seine Heimat zurück. Er widmete sich eigenem Schaffen und war zugleich Volontär im Zeichenunterricht an der Alsfelder Realschule. Bereits nach einem Jahr, im Herbst 1889, wurde er in den Staatsdienst übernommen und ihm eine Vertretung am Realgymnasium und an der Realschule in Offenbach a.M. übertragen. Ein Jahr später kam er als Zeichenlehrer an das damals gerade eröffnete Neue Gymnasium in Darmstadt. Seine pädagogischen Erfahrungen legte er in einer 1896 veröffentlichten Programmabhandlung dar. 1898 zum Oberlehrer und 1907 zum Professor ernannt, wirkte er am Neuen Gymnasium, bis er Ostern 1914 aus dem Staatsdienst ausschied, um sich ausschließlich der eigenen künstlerischen Arbeit widmen zu können. Er hatte sich zu diesem Zweck bereits drei Jahre vorher beurlauben lassen.
Studienreisen nach London, Paris und Holland, nach dem Kriege nach der Schweiz und Italien, erweiterten seinen Gesichtskreis. Doch die Richtung seiner Malerei wurde dadurch nicht verändert. Darmstadt, das ihm zur zweiten Heimat geworden war, verließ er alljährlich zu Beginn der Sommerzeit, um in Alsfeld in aller Stille zu schaffen.
Im Sommer 1920 und 1921 malte er für das Treppenhaus des Darmstädter Realgymnasiums acht Wandbilder, den an Richard Wagners Oper „Ring der Nibelungen“ anknüpfenden Siegfriedzyklus. Für die Augustinerschule in Friedberg schuf er von 1924 bis 1928 zweiundzwanzig Monumentalbilder nach Themen aus der Edda.
Offizielle Anerkennung wurde ihm zuteil, als die hessische Staatsregierung ihm 1928 den Georg-Büchner-Preis verlieh, den damals höchsten Preis für Kunst. Ein Gesamtbild seines Schaffens gewährten sowohl die 1934 in der Darmstädter Kunsthalle veranstaltete große Ausstellung seiner Werke anlässlich seines 50-jährigen Malerjubiläums als auch die Jubiläumsschau im Jahre 1942 in Darmstadt zu seinem 75. Geburtstage.
Ein Jahr später schon, 1943, starb Richard Hoelscher.
Hoelscher hat in den verschiedensten malerischen Techniken Bildnisse, Genre- und Interieurbilder, monumentale Darstellungen mythologischen Inhalts, Landschaften und Stillleben geschaffen, von denen sich einige im Besitz der Museen in Darmstadt, Gießen, Worms, Kassel und Alsfeld sowie in englischen Privatsammlungen befinden. Er wurde vor allem als Porträtist sehr geschätzt. Fast alle Gemälde sind in einer unauffälligen, grelle Töne vermeidenden und abgestimmten Farbigkeit gehalten. In den letzten fünfzehn Jahren seines Schaffens hellte sich seine Palette zusehends auf. Als Grafiker wurde er über Hessen hinaus bekannt durch seine Illustrationen zu August Scherls „Jungmädchenbüchern“.
Richard Hoelscher war eine schlichte, wahrhaftige, ehrliche und zurückhaltende Persönlichkeit, die Worte verschmähte und durch die Tat wirkte. Hingebungsvoll vermochte er sich in die Eigenart der Menschen und der Landschaft Oberhessens zu versenken. Seine Werke zeugen von einer tiefen Liebe zur Heimat.
(Zusammenfassung zweier Aufsätze von Prof. Dr. jur. et phil. Karl Esselborn:
01. Aus: „Heimatblätter für den Kreis Alsfeld“, 5. Jahrgang, 1929, Nr. 1, S. 1-2.
02. Aus: „Heimat im Bild“, Beilage zum Gießener Anzeiger N.R.S., vom 04.02.1937)
Erstveröffentlichung:
Erhard Nitsche, Richard Hoelscher, in: Albert-Schweitzer-Schule (Hrsg.), Festschrift zur 100-Jahr-Feier der Albert-Schweitzer-Schule, Alsfeld 1961, S. 41-42.
[Stand: 12.06.2024]