Alsfelder Juden kämpften für Deutschland

Von Heinrich Dittmar, Alsfeld (1988)

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts und mit dem Fortschreiten der Emanzipation nahmen mehr und mehr Juden aktiv am Militärdienst teil. [01] Schon unter den Opfern der Befreiungskriege 1812/1813 befand sich ein Moritz Wertheim aus Kirtorf, der in Russland umkam. [02]

Am „Badischen Feldzug 1849“ nahm Seligman Freund aus Grebenau teil.[03] Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 waren fast 4.500 Juden Feldzugsteilnehmer. [01] Aus Alsfeld nahm Moses Flörsheim (Ludwigsplatz 4) am Krieg gegen Frankreich teil. Er wurde 1902 sogar Ehrenmitglied des Veteranen- und Kriegervereins Alsfeld. [04]

Nach der Reichsgründung 1871 wurden die Juden voll in den Militärdienst integriert. Bis 1870 tauchten sie nur gelegentlich in den Musterungslisten auf. Im Ersten Weltkrieg nahmen 25 Juden aus Alsfeld an den Kämpfen teil. Acht von ihnen wurden Opfer des Krieges, eine Reihe von ihnen mit militärischen Ehren ausgezeichnet. Gemeinsam mit allen Alsfelder Gefallenen sind auch die jüdischen Mitkämpfer in der Friedhofskapelle verzeichnet. Auch nach 1933 blieben ihre Namen erhalten.

Gefallene des 1. Weltkrieges aus der jüdischen Gemeinde Alsfelds

Joseph Rothschild, Kaufmann
Gefreiter, 6. Kompagnie, Infanterie-Regiment Nr. 116
geboren am 08.08.1882, gefallen am 22.10.1914 in Le Quesne/Frankreich.

Theodor Strauß, Kaufmann
Musketier
geboren 17.04.1894, gestorben am 04.11.1918 [bei Otto Volk, S. 137: 05.11.1918] an einer Verwundung in Alsfeld.

Fritz Wallach, Student
Gefreiter, 4. Kompagnie, Infanterie-Regiment Nr. 68
geboren 15.08.1894 [bei Otto Volk, S. 123: 16.08.1894], gestorben am 09.05.1916
verwundet bei einer freiwilligen Patrouille bei Moulin sous Touvene.

Isaak Rothschild, Kaufmann
Gefreiter, 5. Kompagnie, Infanterie-Regiment Nr. 115
geboren 05.07.1896, gefallen 26.09.1917 – Kopfschuss in Flandern.

Emil Flörsheim, Kaufmann
Grenadier, 2. Kompagnie, 2. Grenadierregiment
geboren 15.09.1895 [bei Otto Volk, S. 122: 14.09.1895], gestorben 28.01.1916 im Lazarett St. Quentin.

Hermann Lorsch, Kaufmann
Landsturmmann, Infanterie-Regiment Nr. 168
geboren 22.12.1881, gefallen 03.08.1915 Deutsch-Kolm/Lublin.

Karl Rothschild, Kaufmann
Ersatz-Reservist, 12. Kompagnie, 5. Königlich-Bayerisches Infanterie-Regiment
geboren 01.04.1890, gestorben 17.05.1915 Lazarett Comines/Frankreich.

Berthold Salomon, Handlungsgehilfe
Musketier, 12. Kompagnie, Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 254
geboren 19.06.1893 [bei Otto Volk, S. 126: 10.11.1893], gefallen 05.11.1916 [bei Otto Volk, S. 126: 04.11.1916] mit Herzschuss bei Trageslavele-Campohum in Rumänien.

[Ergänzung bei Otto Volk, S. 106]:
Ludwig Levi
Unteroffizier der Reserve, 5. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 116
geboren 02.11.1888, gestorben 18.09.1914

Grabstein für Emil Flörsheim
Foto: Herbert Jäkel

Als Mitglieder im Alsfelder Kriegerverein werden folgende jüdische Bürger (Kriegsteilnahme in Klammern) aufgeführt:

Adler, Sally (1914/1918)
Bär, Sally (1914/1418)
Bettmann, Karl
Flörsheim, Moses (1870/1871)
Justus, Julius (1914/1918)
Katz, Moritz (1914/1918)
Lion, Julius (1914/1918)
Loeser, Ludwig (1914/1918)
Moses, Philipp (1914/1918)
Rothschild, Karl (1914/1918)
Rothschild, Max
Rothschild, Dr. Max (1914/1918)
Rothschild, Siegmund (1914/1918)
Spier, Adolf
Spier, Leopold (1914/1918)
Stein, Albert (1914/1918
Steinberger, Adolf (1914/1918)
Steinberger, Julius (1914/1918)
Stern, Moritz
Strauß, Albert (1914/1918)
Strauß, Josef
Strauß, Markus II (1914/1918)
Strauß, Markus I (1914/1918)
Wallach, Karl

Acht der Kriegsteilnehmer kamen im 3. Reich ums Leben. Einige hatten vergeblich gehofft, dass die aktive Teilnahme am 1. Weltkrieg sie vor Verfolgung schützen würde. Sie hatten mit vaterländischer Begeisterung ihre Pflicht getan, einige ihrer Söhne waren gefallen. Der Reichsverein der Deutschen Juden hatte sie 1914 aufgerufen, sich freiwillig zu melden und dem Vaterland zu dienen. Der Feldrabiner hatte die gleichen Rechte und Verpflichtungen wie der christliche Feldgeistliche übernommen. [05]

Das Wehrgesetz von 1935 beendete diese Rechte und Verpflichtungen für die Juden. Der Kriegerverein vermerkte am 01.05.1933 hinter dem Namen der jüdischen Mitglieder: „Nichtarier – ausgeschieden“.

Die Ausstellung „Deutsche Jüdische Soldaten 1914–1945“ stellt die Problematik in anschaulicher Form dar.“ [06]

Anmerkungen:

[01] Philo-Lexikon – Handbuch des jüdischen Wissens (1936), Nachdruck 1982.
[02] Dr. Karl Geisel, Die Opfer der napoleonischen Feldzüge aus dem Kreis Alsfeld, Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins, 9. Reihe, 1956.
[03] Dr. Karl Geisel, Die Teilnehmer am badischen Feldzug (1849) aus dem Kreise Alsfeld, Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins, 9. Reihe, 1958.
[04] Archiv des GMV Alsfeld, Akten des Veteranen- und Kriegervereins.
[05] Harald, Klaus, Jüdischer Opferwille in der Hoffnung auf mehr staatsbürgerliche Anerkennung, Heimat im Bild, Januar 1987.
[06] Deutsche jüdische Frontsoldaten 1914–1945, Begleitheft zur Ausstellung des militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Bonn 1982.

Literatur:

Dr. Otto Volk, Für Kaiser, Volk und Vaterland (2 Teile). Gefallenenlisten des Ersten Weltkriegs und ihre zeit- und personengeschichtlichen Aussagen, in: Archiv für Familiengeschichtsforschung (AfF), 23. Jahrgang, 2019, Heft 3, S. 89-113 und in Heft 4, S. 122-139.

Erstveröffentlichung:

Heinrich Dittmar, Alsfelder Juden kämpften für Deutschland, in: Heinrich Dittmar / Herbert Jäkel: Geschichte der Juden in Alsfeld, Alsfeld 1988, S. 73-74.

[Stand: 09.07.2024]