Von Heinz Pötz, Alsfeld (1995)
Grußwort
Mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit feiert der Alsfelder Obst- und Gartenbauverein am 7. und 8. Oktober 1995 seinen 100. Geburtstag. Grund zur Freude vor allem deshalb, weil sich aus den 43 Mitgliedern im Gründungsjahr 1895 inzwischen ein stattlicher Verein mit über 500 Mitgliedern entwickelt hat. Anstoß zur Vereinsgründung war sicherlich die große Obst- und Gemüseausstellung des „Oberhessischen Obstbauvereins“ vom 7. bis 10. Oktober 1893 in Alsfeld. Viele Alsfelder konnten für das ausgestellte Obst und Gemüse Diplome und lobende Anerkennung erhalten.
Dank möchte ich den Vereinsgründern sagen, die die Weiterentwicklung und vor allem auch Intensivierung des Obst- und Gartenbaues für notwendig erachteten und die davon überzeugt waren, dass frisches Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten einen hohen gesundheitlichen Wert hat. Leider wurde durch zwei Weltkriege (1914-1918 und 1939-1945) die Vereinsarbeit unterbrochen bzw. beeinträchtigt.
Gartenbauinspektor Walter Trumpfheller, Altenburg, der von 1950 bis 1973 in unserer Heimat wirkte, ist es zu verdanken, dass die Gartenbauvereine wieder zu neuem Leben erwachten. Ihm sei an dieser Stelle für seinen unermüdlichen Einsatz herzlichst gedankt. Ebenso Hans Dettmar, der den Gartenfreunden seit Jahren wertvolle Hinweise gibt und die Obstanlage der Landwirtschaftsschule vorbildlich betreut. Sowie den Vereinsmitgliedern, die durch ihre Teilnahme an den vielen Veranstaltungen, als Mitglieder der Blumenschmuckbewertungs-kommission, als Austräger von Rundschreiben oder als Mitarbeiter im Vorstand für ein reges Vereinsleben sorgten, möchte ich vielmals danken.
Auch bei den Alsfeldern nimmt die Liebe zum Obst- und Gartenbau immer mehr zu. Möge das so bleiben, auf dass der Verein auch nach seinem 100. Geburtstag weiterhin wachse, blühe und gedeihe. Allen Besuchern wünsche ich schöne und frohe Stunden beim Geburtstagsfest.
Vereinsgeschichte – von der Gründung bis heute (1995)
Wenn wir heute auf 100 Jahre Vereinstätigkeit zurückblicken können, so ist das ein Verdienst der Männer, die um die Jahrhundertwende die Gründung eines Obst- und Gartenbauvereins für die Weiterentwicklung und vor allem auch Intensivierung des Obst- und Gartenbaues für notwendig erachteten.
Bis zum Jahr 1974 waren wir der Meinung, dass der Verein 1906 gegründet worden sei. Aus Unterlagen des Oberhessischen Obstbauvereins, der 1889 ins Leben gerufen wurde, geht hervor, dass 43 Alsfelder Bürger bereits am 23. November 1895 diesem angehörten. Obmann war der Rentier Ernst Krause. Aufgrund dieser Information hat der Vorstand beschlossen, den Verein ab dem 23.11.1895 als bestehend zu führen.
1906 wurde in Anwesenheit von 30 Gartenbesitzern im Mainzer Hof (heute Telekom, Mainzer Gasse 4), nach einem Vortrag von Obstbautechniker Koch, der als Obstbaulehrer an der großherzoglichen Obstbaumschule Friedberg tätig war und von 1906 bis 1914 in unserem Kreis als Wanderlehrer wirkte, aus der losen Vereinigung ein selbständiger Verein ins Leben gerufen, dessen erster Vorsitzender Heinrich Koch I, (geb. 15.01.1877) Besitzer des Mainzer Hofes, wurde und der auch gleichzeitig den Rechnerposten übernahm. Zweiter Vorsitzender wurde der Kaufmann Otto Ginsberg, der auch in seinem Laden (heute Hirsch-Apotheke) den Verkauf von Obstbaumpflegemitteln, wie Kokosstricke, Baumwachs, Baumteer u.a. übernahm. Der erste Vorsitzende war ein großer Gartenfreund und hervorragender Gärtner. Er besaß in der Hohl einen zweieinhalb Morgen großen Garten, in dem alles aufs Beste bestellt wurde.
Die Stallmistdüngung fehlte nicht, die Kalkung wurde ordnungsgemäß durchgeführt, den Schädlingen zu Leibe gerückt und vor allem viel gearbeitet. Sein Sohn Lutz sagte mir einmal, dass die Dunkelheit oft erst Feierabend geboten hätte.
„Wäre damals das Flutlicht schon dagewesen, dann hätten wir – mein Bruder und meine Schwestern – noch länger arbeiten müssen.“ Nicht zu vergessen wären die Leistungen der alten, treuen Köchin Anna, sagte Lutz Koch weiter, die 43 Jahre lang mit seinem Vater die Gartenarbeiten verrichtete und nimmermüde im Garten wirkte. Sämtliches Obst und Gemüse aus dem Garten wurde in Körben nach Hause getragen oder im Leiterwagen gefahren, wie mir die Tochter Marlis (verwitwete Strack) sagte. Daraus ersieht man, wie sehr Herr Koch auf eine schonende Behandlung des Obstes bedacht war.
Schon zwei Jahre nach der Vereinsgründung, also 1908, fand in Alsfeld die 1. große Obstausstellung des jungen Vereins statt, der in den Jahren 1921, 1927, 1951, 1956 und 1985 weitere folgten. Diese Ausstellungen wirkten bzw. wirken auch heute noch belehrend auf den Obstliebhaber und Gartenfreund und geben viele Hinweise und Anregungen für die eigene Arbeit im Garten. Bereits im Jahre 1913 nahmen Mitglieder des Alsfelder Bezirksvereins, dem auch der Alsfelder Ortsverein angehörte, an der 25. Jahreshauptversammlung des Oberhessischen Obstbauvereins teil. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945, in denen es an vielem mangelte, kümmerte sich der Verein vor allem um die Beschaffung von Dünger, Torf und Sämereien für seine Mitglieder. Aus einer Aufstellung, die Obstbauinspektor Johannes Kurz, Schadges, fertigte, geht hervor, dass im Jahre 1937 dem Alsfelder Obst- und Gartenbauverein 42 Mitglieder angehörten. Kurz war von 1929 bis 1950 in unserer Heimat tätig. Die Stadt Alsfeld hatte zu dieser Zeit 5.500 Einwohner, so dass also 0,8 % der Bevölkerung Mitglied des Vereins waren. Sechs Rückenspritzen standen zur Schädlingsbekämpfung zur Verfügung. Herr Kurz weist darauf hin, dass mindestens zwei Baumwärter in Alsfeld notwendig wären, um die anfallenden Pflegearbeiten an den Obstbäumen durchzuführen. Auf Anregung von Herrn Kurz wurde auch zu Beginn des 2. Weltkrieges eine Süßmostanlage im Hintergebäude der Schnapsbrennerei Flörsheim (jetzt Anwesen Rudolf Nau) errichtet, die jedoch im letzten Kriegsjahr durch Bomben zerstört wurde.
Im Jahr 1942 legte Heinrich Koch, der 36 Jahre lang den Verein geführt hatte, den Vorsitz nieder. Da Krieg war und somit auch ein rechtes Vereinsleben nicht verwirklicht werden konnte, musste auf die Wahl eines neuen Vorsitzenden verzichtet werden. Dennoch wurde die Arbeit von Landwirtschaftsrat Paul Walther weitergeführt, der bereits in den 30er Jahren als Schriftführer im Bezirksverband tätig war. Walther war es auch, der in den schweren Kriegsjahren die Geschicke des Vereins in seinen Händen hielt, bis er 1948 in einer Mitgliederversammlung im Mainzer Hof, zu der 20 Obst- und Gartenbaufreunde erschienen waren, zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Sein Stellvertreter wurde Gärtnermeister Heinrich Köhler, der diesen Posten bis zu seinem plötzlichen Tod am 30. April 1974 innehatte und sich große Verdienste erworben hat, Rechner wurde Simon Walter, der sein Amt treu und brav bis zum 10. Januar 1972 versah, Schriftführer Carl Paul (bis 1965) und Beisitzer Karl Koch und Fritz Kehm. Der Jahresbeitrag wurde auf 2,- DM festgesetzt. Ab dem 1. Februar 1955 betrug er 2,50 DM und ab dem 23. Januar 1970 bis heute 4,-DM.
Als im Jahre 1959 LR Paul Walther pensioniert wurde, bat mich Herr Trumpfheller, den Vereinsvorsitz zu übernehmen. Er füllte schnell eine Mitgliedskarte aus, ich unterschrieb und wurde dann auch in der Generalversammlung im „Deutschen Haus“ zum Vorsitzenden gewählt. So habe ich, Heinz Pötz, seit 36 Jahren die Freude und Ehre, dieses Amt auszuüben. Paul Walther wurde aufgrund seiner großen Verdienste, die er sich um die Förderung des heimischen Obst- und Gartenbaues erworben hat, Ehrenvorsitzender.
Welche Aufgaben hat nun eigentlich ein Obst- und Gartenbauverein zu erfüllen? Sehen wir uns das Programm des 1889 gegründeten „Oberhessischen Obstbauvereins“ an, so finden wir darin Punkte, die auch heute noch sehr aktuell sind:
- kostenlose Beratung und Belehrung der Mitglieder durch die Beamten des Oberhessischen Obstbauvereins – heute Beratungskräfte des Landes Hessen,
- Herausgabe einer Monatsschrift „Ratgeber für den Obst- und Gartenbau“, heute „Der Hessische Obst- und Gartenbau“,
- fachliche Vorträge in Versammlungen aus dem gesamten Gebiet des Obst- und Gartenbaues sowie verwandter Zweige (z.B. Zimmerblumenzucht u.a.),
- gemeinschaftliche Ausflüge nach Obst- und Gartenbauanlagen,
- Schaffung von Mustergärten,
- Veranstaltung von Ausstellungen,
- Förderung des Blumenschmuckes, des Vogelschutzes und nicht zuletzt
- Weckung des Interesses der Jugend an Natur und Garten.
All diese Punkte waren und sind Inhalt unseres Vereinslebens.
Leider musste Walter Trumpfheller infolge Krankheit Ende 1973 aus dem Dienst scheiden. Sein Nachfolger wurde Bernhard Kromhout aus Gießen, der bis Oktober 1977 im Vogelsbergkreis tätig war.
Ihm folgte als Berater Manfred Schmidt, der aber Ende März 1980 ebenfalls wieder den Vogelsbergkreis verlassen hat. Seit dem 1. Oktober 1984 hatte der Verein mit Gerold Rausch wieder einen Berater, der allerdings mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 eine neue Tätigkeit übernommen hat. Hans-Kurt Watz (Gießen) ist nun für die obst- und gartenbauliche Beratung im Vogelsbergkreis zuständig.
Seinen Rechnerposten legte Simon Walter am 10. Januar 1972, im 91. Lebensjahr stehend, nieder. Er war über 50 Jahre Mitglied im Obst- und Gartenbauverein und hat sich als wahrer Idealist in uneigennütziger Weise stets für die Belange des Vereins eingesetzt. Er starb am 23. Februar 1979 im 99. Lebensjahr.
Den Rechnerposten übernahm Jakob Mades, der sich während seiner 13-jährigen Tätigkeit ebenfalls große Verdienste erworben hat. Viele schöne Skizzen von den Fahrten hat er hinterlassen. Am 20. November 1989 nahm er Abschied aus dieser Welt. Helmut Krause wurde Rechner, allerdings nur für zwei Jahre. Aus beruflichen Gründen verließ er Alsfeld. Seit 1988 führt Waltraud Jäckel die Rechnerstelle.
Neben der Weiterbildung der Mitglieder in Versammlungen und Lehrgängen wurden auch Lehrfahrten nach Holland, in die Schweiz, nach Frankreich, Belgien, Ungarn, Dänemark, Osterreich, Jugoslawien, Italien, die CSFR, England, Ostpreußen, Polen, Schlesien, Spanien, Finnland, Russland, Israel, Mallorca, USA, Canada, Teneriffa und China durchgeführt, um dort Obst- und Gartenbaufragen zu studieren und die Schönheiten dieser Länder kennenzulernen.
Aber auch, um einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten. Regelmäßig wurden die Bundesgartenschauen in Dortmund, Stuttgart, Hamburg, Essen, Karlsruhe, Köln, Mannheim, Bonn, Kassel, München, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Cottbus – aber auch große internationale Schauen, wie die Floralienschau in Gent, die Blumenschau in London, die Floriade in Holland oder die Ameriflora in den USA – besucht. Auch an den Landesobstbautagen, vom Landesverband veranstaltet, nahmen die Mitglieder teil. Ebenso an der ersten Landesgartenschau in Fulda 1994. Fachlich gesellige Abende, wie das Erdbeer-, Spargel- oder Apfelweinfest, waren von unseren Mitgliedern immer gut besucht.
Der gemeinschaftliche Bezug von Torf (nur noch in begrenztem Umfang, um die Torfmoore zu erhalten), Rindenhumus, Rindenmulch und Horngriess (natürlicher Dünger mit 14 % Stickstoff) gehört seit Jahren in das Vereinsprogramm. Obst (Apfel) wird dann gemeinschaftlich bezogen, wenn die eigene Ernte im Garten gering ausfällt. Um die Verschönerung unserer Stadt durch vermehrten Blumenschmuck bemüht sich der Verein seit Jahrzehnten. Vereinsmitglieder sind in der Bewertungskommission für den Blumenschmuckwettbewerb, der seit 1961 durchgeführt wird, tätig.
Dank sagt der Verein der Stadt Alsfeld für diesen Wettbewerb, aber auch für die Schredderaktion, die seit 1989 läuft. So kommt wertvolles Humusmaterial wieder im die Gärten zurück. Nicht zuletzt dankt der Verein auch für die jährliche finanzielle Unterstützung für die Vereinsarbeit. Besonderer Dank sei auch Otto Hartmann gesagt, der als Baumwart viele Jahre in den Gärten unserer Stadt tätig war. Nicht vergessen werden die Mitglieder Gretel Seyfarth und Lore Jörns, die mit ihren Instrumenten den Fahrtteilnehmern viel Freude bereiteten. Dank sei auch Hedwig Berg gesagt, die 19 Alben mit dem Titel „Reisen mit dem Obst- und Gartenbauverein Alsfeld von 1963 bis 1981“ hinterlassen hat. Ein herzliches „Dankeschön“ gilt auch Hans Dettmar. Als Pflanzenschutzberater hat er in dem Herbstversammlungen immer wieder „Aktuelle Hinweise für den Gartenfreund“ gegeben, aber auch Nichtmitglieder immer gut beraten.
Besondere Kenntnisse hat er sich auf dem Gebiet der Apfelsorten erworben. So ist es auch möglich, im Rahmen der 100-Jahr-Feier am 7. und 8. Oktober 1995 unbekannte Sorten von ihm bestimmen zu lassen. Nicht vergessen sei auch Pflanzenschutzberater Wilhelm Wronna, der sich in vielfältiger Weise um den Verein verdient gemacht hat.
Wenn sich der Verein von etwa 30 Mitgliedern bei der Gründung auf 42 in den 30er-Jahren, 80 in den 50er-Jahren, 240 in den 60er-Jahren und auf 510 Mitglieder bis heute entwickelt hat, so darf mit Freude festgestellt werden, dass auch bei den Alsfeldern die Liebe zum Obst- und Gartenbau immer mehr zunimmt.
Für mich ist die Natur eine Wunderwelt Gottes. Diese Schöpfung in ihrer Vielfalt zu erhalten und naturgemäß zu gestalten, ist die Aufgabe und Verantwortung eines jeden Menschen.
Erstveröffentlichung:
Festschrift „100 Jahre Obst- und Gartenbauverein Alsfeld (1895-1995), Alsfeld 1995.
[Stand: 23.05.2024]