Kriegschroniken
Gemeindechroniken werden zu Kriegschroniken

Von Karl Dotter, Alsfeld, OZ, Nr. 211, 09.09.1939

Ein Erlass des Reichsinnenministers vom 31. Oktober 1936 empfiehlt den Gemeinden die Anlegung einer Gemeindechronik. In 5 Sätzen erläutert dieser Erlass kurz und bündig, dass dies ein hervorragendes Mittel sei, auch späteren Geschlechtern Arbeit und Mühen, Erfolg und Sorgen der Gemeinde und ihrer Bürger zu überliefern. Eine gutgeführte Gemeindechronik dient den Bedürfnissen der späteren Geschichtsschreibung in hervorragendem Maße. In einer solchen Chronik sollen die großen politischen Ereignisse in ihrer speziellen Auswirkung auf die Gemeinde, wie auch sonstige, das Gemeindeleben selbst betreffenden wichtigen Geschehnisse, aufgezeichnet werden. Die Ausgestaltung der Chroniken im Einzelnen wird den Gemeinden überlassen.

Aufgabe des Chronisten ist es, die Geschehnisse in zeitgemäßer Lebendigkeit und Ausdrucksweise wahrheitsgetreu zu Papier zu bringen. Er kann und will also nicht selber Geschichte machen, sondern er will nur die Ereignisse für spätere Generationen als Berichte aufschreiben.

Wenn es nun schon in Friedenszeiten im Gemeindeleben allerlei Wertvolles, Wichtiges und Interessantes zu notieren gibt, so ist dies ganz besonders in Kriegszeiten der Fall. Die Gemeindechronik wird jetzt zur Kriegschronik.

Kriegschronik 1939

In einer alten Verordnung aus dem Jahre 1817, also kurz nach den Freiheitskriegen, heißt es:

„Ein edles und aufgeklärtes Volk wird stets darauf halten, dass es den ihm zukommenden Platz in der Geschichte behauptet. Es wird deshalb die Schicksale der lebenden Generation nicht unter dem Gesichtspunkte einer vorübereilenden Erscheinung, sondern unter dem eines bleibenden Zusammenhangs mit allen Geschlechtern künftiger Jahrhunderte betrachten, und diesen Zusammenhang, wahrhaft, wie er der Tat nach ist, auch äußerlich in Wort und Schrift zu begründen sich angelegen sein lassen.“

Was in diesen Kriegschroniken alles aufgezeichnet werden kann und soll, braucht hier im Einzelnen nicht ausgeführt zu werden. Die mit der Führung solcher Chroniken beauftragten Personen werden das Richtige schon treffen. Sie haben aber nie zu vergessen, dass Wahrhaftigkeit, einfache Darstellung, reine Beschränkung auf die Tatsachen, ohne alle Einmischung von Privatansichten, und ohne allen nicht zur Sache gehörigen Wortkram, vor allen Dingen von ihnen gefordert werden.

Das Anlegen von Gemeinde- bzw. Kriegschroniken kann überall, wo es noch nicht geschehen ist, wärmstens empfohlen werden.

Erstveröffentlichung:

Karl Dotter, Kriegschroniken, in: Oberhessische Zeitung, Nr. 211, 09.09.1939.

… auch Teil der sogenannten „Kriegschronik“:

Karl Dotter, Dr. Karl Völsing, Julius Hch. Waldeck: Kriegs-Chronik 1939. (Alsfelder Kriegschronik 1939-1945), am 01.09.1939 begonnen und geführt von Karl Dotter, Oberreallehrer, Stadtarchivar. Nach dessen Tod am 17.09.1940 fortgeführt von Bürgermeister Dr. Karl Völsing. Ab dem 24.03.1945 wurde Julius Hch. Waldeck, Mitbegründer des Geschichts- und Altertumsvereins von 1897, mit der Weiterführung der Chronik durch den Bürgermeister Dr. Völsing beauftragt, und die Fortführung durch die Bürgermeister Rosenkranz und Staab verfügt. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, HStAD O 72, Nr. 215, 1948.

[Stand: 19.06.2024]