Von Dr. Phil. C. W. M. Grein, Archivar und Außerordentlicher Professor zu Marburg (1874)
Die Handschrift, in welcher uns das Alsfelder Passionsspiel erhalten ist, befand sich bis zum Jahr 1842 in dem Rathsarchiv der Stadt Alsfeld im Großherzogtum Hessen. Als in dem genannten Jahr das dortige Rathaus umgebaut wurde, fand man es für wolgetan, die unnützen Scripturen des alten städtischen Archivs in Masse an die Juden zu verkaufen. Auch unsre Handschrift teilte dieses Schicksal, indem sie mit vielen andern Papieren in die Hände eines Juden zu Merzhausen bei Ziegenhain kam, entging jedoch durch eine glückliche Fügung in der letzten Stunde noch der Scheere des Dütenmachers. Denn als bereits die meisten Papiere zu Düten zerschnitten waren, fand unter dem Reste zufällig der Pfarrer Gutberlet aus Breitenbach am Herzberg die noch unverletzte Handschrift des Passionsspiels und brachte sie für einen Thaler käuflich an sich. Von ihm kaufte sie aber bereits im folgenden Jahre mein hochverehrter Lehrer F.A.C. Vilmar, welcher auch alsbald in Haupts Zeitschrift (III, 477-518) eine kurze Beschreibung derselben veröffentlichte und zugleich einige größere Stücke daraus mitteilte. Aus seinem Nachlass endlich gelangte sie nebst der Handschrift des von Piderit herausgegebenen Weihnachtsspiels in den Besitz der Casseler Landesbibliothek, zu deren Zierden sie jetzt gehört.
Sie besteht aus 42 Bogen oder 84 Blättern starken Ochsenkopfpapiers von 44 Centimeter Höhe und 16 Centimeter Breite in 5 Lagen von je 8 Bogen und am Schluss noch einer Lage von zwei Bogen. Das eigentümliche Format ist dadurch entstanden, dass Bogen von 22 Centimeter Breite und 32 Centimeter Höhe, also ungefähr von dem Format eines gewöhnlichen großen Briefbogens, welche ursprünglich (wie der genau in der Mitte sämtlicher Blätter quer durchgehende Bruch zeigt) ihrer Höhe nach zusammengebrochen waren, dann aber für unsere Handschrift in der Richtung der Breite umgebrochen wurden. Das Ganze ist in einen einfachen Pergamentumschlag geheftet, auf dessen hinterer Innenseite steht:
Memor esto de Henrico
vnde Monast
während darüber und darunter einige Musiknoten ohne Linien stehen. Die Blätter der Handschrift sind vom zweiten Blatt anfangend bis zum drittletzten am unteren Rande links mit den Zalen 1-76 und 78-82 foliiert, indem der Foliator (wahrscheinlich der Schreiber der Handschrift selbst) die Zal 77 übersprungen hat: es sind dies die Blätter, welche den eigentlichen ursprünglichen Text nebst der Processio ludi (vgl. Mone Schauspiel des Mittelalters II, 120 ff.) von ein und derselben Hand am Schluss des 15. Jahrhunderts geschrieben enthält; das vorderste sowie die beiden letzten Blätter aber blieben ursprünglich leer und wurden daher nicht foliiert: die beiden letzteren sind jetzt als Bl. 83-84 bezeichnet. Auf der Vorderseite des ersteren aber, dessen untere Hälfte in dem oben erwähnten Querbruch abgerissen ist, also nicht (wie Vilmar irrtümlich angibt) auf einem vorgehefteten Quartblatt, steht von einer Hand aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts folgende Notiz:
Anno domini 1501 habuimus hunc ludum passionalem tribus diebus festiuis post festum pasce.
Anno domini 1511 post pasce Tribus diebus eundem habuimus ludum sed multum dilatatum Sicut duodecim vexillis, resurrectione. ascensione. Spiritus sancti missione et diui sione etc.
Anno domini 1517 die dominica in Septuagesima habuimus ludum de nativitate domini et Tribus Regibus Satis competentem a nona usque ad terciam horam.
Anno domini 1517 diebus tribus sequentes diem pasci habuimus ludum passionalem usque ad ascensionem quia pluuia et ingens frigus nos abire compulit 4ta hora.
und auf derselben Seite steht noch: „S. Franciscus confessor ora piro nobis omnibus.“
Quelle – Der Text „Das Alsfelder Passionsspiel“ von 1874 ist entnommen:
Alwin Michael Rueffer: Die Alsfelder Passion 1517. Ein Marionettenbuch von Alwin Michael Rueffer. Übertragung des mitteldeutschen Textes von Rudolf Hagelstange, Königstein 1978 (ohne Seitenangabe).
[Stand: 27.03.2024]