Von Dr. Norbert Hansen, Alsfeld (2010)
Wie alles begann
Das musisch-kulturelle Leben einer Kleinstadt dokumentiert sich in der Öffentlichkeit am auffälligsten durch Auftritte traditionsreicher Gesangsvereine, Posaunenchöre und vielleicht eines Spielmanns- und Fanfarenzuges der Feuerwehr. Seltener dagegen sind – sofern im städtischen Spektrum vorhanden – Darbietungen eines Streich- oder Sinfonieorchesters, die zudem von deutlich weniger Aktiven und geringerem Publikumsinteresse getragen werden. Alsfeld kann sich glücklich schätzen, von allem etwas bieten zu können: Außer einer stattlichen Anzahl rühriger Chöre und Musikgruppen besteht seit fast 50 Jahren das Kammerorchester der Kulturgemeinde Alsfeld e.V., das sich je nach Anforderung schon oft durch externe (Bläser-)Verstärkung zum kleinen Sinfonieorchester erweitern konnte. Im Rückblick auf diesen langjährigen Bestand wird jedoch schnell übersehen, dass insbesondere zur Besetzung und zum Erhalt eines Orchesters nicht nur das langwierige Erlernen des Instrumentenspiels, sondern zunächst einmal ein entsprechendes Unterrichtsangebot wichtigste Voraussetzung ist.
Genau auf diesen Punkt konzentrierten sich Anfang der 1980er-Jahre Überlegungen eines kleinen Kreises musikengagierter Männer und Frauen. Die Musikschule Broschwitz bot zwar in Alsfeld Unterricht an, aber es fehlte in absehbarer Zeit eine ausreichende Zahl privater Lehrkräfte, um den steigenden Bedarf an qualifiziertem Instrumental-Einzelunterricht abzudecken. Beispielhaft für die erkennbare Lücke stand – wegen ihres fortgeschrittenen Alters – Gretel Seyffarth, die Generationen von Alsfelder Kindern im Blockflöten-, Gitarre- und Geigenspiel unterrichtet hatte. Ein anderer bekannter Instrumentallehrer, Heinrich Glitsch, hatte bereits 1979 seinen Geigenunterricht beendet.
Es waren dann Vorstandsmitglieder der Kulturgemeinde, die erste mutige Gedanken zur Gründung einer Musikschule entwickelten. Einer der engagiertesten Vertreter war der stellvertretende Vorsitzende, Oberstudienrat Helmut Köhler, dem ein ausreichendes Angebot von Instrumentalunterricht für die Bevölkerung und natürlich der Nachwuchs für das von ihm seit 20 Jahren geleitete Kammerorchester am Herzen lagen. Aber wie unsicher man die Situation damals noch einschätzte, zeigt die vorsichtige Formulierung „Musikschule in Alsfeld?“ in der Tagesordnung einer Sitzung am 7. März 1984. Doch schon fünf Wochen später wurde in einer Mitgliederversammlung das Konzept einer Musikschule vorgestellt, die der Kulturgemeinde angegliedert sein sollte. Dabei hatte es im Vorfeld über diese Frage strittige Ansichten gegeben. Der ursprüngliche Plan einer Musikschule in Alsfeld als Zweigstelle der Marburger Musikschule hatte sich zerschlagen, und Kontakte zur Volkshochschule waren ohne Ergebnis geblieben. So stand die Vereinsträgerschaft im Widerstreit zu der Forderung, es sei Aufgabe der Stadt Alsfeld, eine kommunale Trägerschaft zu übernehmen, so wie es in Lauterbach schon viele Jahre zuvor geschehen war. Bürgermeister Ulrich Lipphardt, Beisitzer im Kulturgemeinde-Vorstand, räumte diesem Wunsch keine Erfolgschance ein, stellte allerdings eine finanzielle Unterstützung der Stadt in Aussicht. Schließlich verständigte man sich auf die „kleine“ Lösung einer Vereinsträgerschaft, ohne das Langfristziel einer kommunalen Musikschule aus dem Auge verlieren zu wollen. Immerhin ist die Mehrheit der hessischen Musikschulen vereinsgetragen organisiert, letztlich eine Folge des fehlenden Musikschulgesetzes in Hessen.
Auf jeden Fall begann jetzt mit Hochdruck die Umsetzung: Ein Arbeitskreis unter Führung von Konrad Rüssel etablierte sich. Beratungsgespräche mit dem Verband deutscher Musikschulen (VdM) und ein Informationsbesuch in der Lauterbacher Musikschule schlossen sich an. Den Fraktionen der in Alsfeld vertretenen Parteien wurden Notwendigkeit und Nutzen einer Musikschule vermittelt. Der Magistrat bewilligte einstimmig einen Zuschuss von 7.500,- DM, und der Vogelsbergkreis genehmigte die Benutzung von Räumen in der Haupt- und Realschule (ehemals Technikerschule), Jahnstraße, heute Geschwister-Scholl-Schule. Zur Jahresmitte 1985 wurde die notwendige Satzungsänderung der Kulturgemeinde beschlossen.
Es folgten „Regelungen zur Geschäftsführung der Alsfelder Musikschule“ und Dorothee Hansen übernahm ehrenamtlich die technische und organisatorische Leitung. Als Geschäftsstelle fungierte ihre Küche, die einen zusätzlichen Telefonanschluss bekam. Um die Öffentlichkeit auf die bevorstehende Eröffnung vorzubereiten, gab die Marburger Musikschule ein Konzert in Alsfeld. Ein Faltblatt mit dem noch heute gültigen neuen Logo der Alsfelder Musikschule informierte über Einzelheiten zum geplanten Unterricht, wobei bewusst auch auf die Angebote der anderen privaten Anbieter Broschwitz, Hebermehl und Langheinrich hingewiesen wurde. Die neue Musikschule wollte Ergänzung, nicht Wettbewerber sein. „Der Unterricht kann beginnen“ titelte die Oberhessische Zeitung am 27. August 1985.
Die ersten 5 Jahre
Mit 22 Schülerinnen und Schülern ging es los. Erste Lehrkräfte auf Honorarbasis waren Ariane Brena und Edith Köhler für Klavier, Renate Glitsch für Violoncello, Gisela Mága für Violine und Cornelia Mehring für Violine und Viola. Dass die Musikschule ihren Lehrerinnen und Lehrern von Beginn an nur Honorare weit unter vergleichbaren Tarifen bezahlen und keine Sozialversicherungskosten übernehmen konnte, war der unzureichenden Bezuschussung und der begrenzten Belastung der Eltern mit Gebühren geschuldet. Mit diesem Manko gegenüber kommunalen Einrichtungen lebt die Musikschule bis heute, obwohl sie vom ersten Tag an beträchtliche Beiträge an die seit 1982 bestehende gesetzliche Künstlersozialkasse entrichtet.
Eine Unterrichtsstunde (45 Minuten) kostete damals 80,- DM, also nach heutiger Währung etwa 41,- Euro, wobei Geschwisterrabatte und Ermäßigungen bei Bedürftigkeit der Eltern vorgesehen waren. Musikunterricht sollte möglichst für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar sein. In der Folgezeit erweiterte sich durch zusätzliche Lehrkräfte das Unterrichtsangebot um Schlagzeug und Akkordeon. 1987 sorgte dann ein aus heutiger Sicht bemerkenswerter Vorgang in Alsfeld kurzzeitig für Aufmerksamkeit: Nach einem Plan des „Arbeitskreises Stadtzeichner“ unter Federführung von Bodo Runte sollte die Stadt die Villa Raab samt Nebengebäuden in der Altenburger Straße erwerben, um dort eine Art „Kulturhaus“ für Alsfeld einrichten zu können. Der Kulturgemeinde wurde angeboten, ihre Musikschule dort räumlich zu integrieren. Trotz weitgehend gesicherter Finanzierung zerschlug sich das Projekt bald, da die politischen Gremien nicht mitzogen. Wie hätte manche Entwicklung in Alsfeld anders verlaufen und ein ehemals repräsentatives Gebäude vor dem Verfall bewahrt werden können, wenn der Plan realisiert worden wäre!
So blieb alles beim Alten. Die Musikschule erweiterte sich um die Fachbereiche „Musikalische Früherziehung“ und „Musikalische Grundausbildung“. Ein Blockflötenkurs kam hinzu, und vier Jahre nach Eröffnung unterrichteten Lehrkräfte rund 170 Schülerinnen und Schüler. Längst waren zusätzliche Räume im Gymnasium (Schillerstraße) einbezogen worden. Es war absehbar, dass bei weiterem Wachstum eine ehrenamtliche Leitung sowohl fachlich wie zeitlich kaum noch zu leisten war.
1990 fielen wichtige Entscheidungen. Schon seit einiger Zeit stand in Verbindung mit der Notwendigkeit einer hauptamtlichen Schulleitung die frühere Grundsatzfrage der Trägerschaft wieder auf der Tagesordnung. Dr. Wolfgang Sander von der Kreisvolkshochschule erarbeitete „Überlegungen zur Einrichtung einer Kreis-Musikschule innerhalb der Kreisvolkshochschule“. Ein Projekt mit weitreichenden Konsequenzen, das schließlich an der Unvereinbarkeit der Einzelinteressen der Musikschulen in Alsfeld und Lauterbach scheiterte. Damit kam eine parallel geplante Alternative zum Zuge, die für die nächsten 17 Jahre ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesamtfinanzierung der Alsfelder Musikschule werden sollte: Die Stadt Alsfeld verpflichtete sich zu einer deutlichen Erhöhung ihres Zuschusses, um der Kulturgemeinde die Einstellung eines hauptamtlichen Leiters zu ermöglichen.
Starkes Wachstum, permanente Geldsorgen
Ab Januar 1991 übernahm nun Ralf Caspar, gebürtiger Berliner und zuletzt an einer Musikschule im Emsland tätig, als fest angestellter Leiter die Aufgaben von Dorothee Hansen. Das Musikschulbüro zog in städtische Räume im Pfarrwiesenweg 3 um, und als erste große Aktion galt es, die zwischenzeitlich zugesagte Mitgliedschaft im Verband deutscher Musikschulen (VdM) umzusetzen. Nur über diese Schiene waren die dringend benötigten Landeszuschüsse zu bekommen. Der VdM, dem allein in Hessen rund 65 Schulen angehören, verlangt von seinen Mitgliedern u.a.: Gemeinnützigkeit, Unterrichtsgliederung gemäß Strukturplan (musikalische Früherziehung, Instrumentalunterricht, Ensembles), Rahmenlehrpläne, Lehrkräfte mit Fachausbildung, musikalisch-pädagogisch ausgebildete Leitung und ordnungsgemäße Haushaltsführung.
In den Folgejahren entwickelte sich durch Aufnahme neuer Fachbereiche und Projekte ein nicht vorhergesehenes Wachstum, gemessen an Schülerzahlen. Der Unterricht verlagerte sich weitgehend in die Oberstufe des Gymnasiums (Krebsbach). 1992 entstand eine Elternvertretung, die aber wegen der häufig wechselnden Elternschaft keine Kontinuität entfalten konnte und sich nach sieben Jahren wieder auflöste. Zur gleichen Zeit gründete sich ein Förderverein, der bis heute jeweils im November zu einer Serenade einlädt. Wichtige Förderziele sind: sozial verträgliche Gebühren, bessere Bezahlung der Lehrkräfte, eigene Schulräume und Bezuschussung beim Instrumentenerwerb.
Neuland betrat Caspar im September 1992 mit dem Pilotprojekt „Integration behinderter Schüler an Musikschulen“. Gefördert durch Landesmittel entwickelte sich mit der Brüder-Grimm-Schule für praktisch Bildbare, der Erich-Kästner-Schule für Lernhilfe und der Werkstatt für Behinderte in Altenburg eine langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit, die überregionale Beachtung fand. Durch gemeinsame Musiktheaterprojekte wie „Noah unterm Regenbogen“ und „Ritter Rost“ nahm auch die Öffentlichkeit an diesem verdienstvollen Engagement Anteil, das 2008 15-jähriges Bestehen feiern konnte.
Überhaupt hatte doch inzwischen der Wert musikalischer Bildung eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Seit Prof. Hans Günther Bastian, Leiter des Instituts für Musikpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt, Anfang 2000 über Ergebnisse einer Langzeitstudie an einer Berliner Grundschule berichtete, war es in allen Zeitungen nachzulesen: Musizieren fördert die Intelligenz, die emotionale Kreativität, die Teambereitschaft sowie die Fähigkeit zur Konzentration und Selbstdisziplin.
Umso bedauerlicher war und ist die fehlende Bereitschaft von Land, Kreis und Kommunen, ausreichende finanzielle Unterstützung für musikalische Ausbildung zu leisten. Die Sorge um das notwendige Geld gehörte daher auch in Alsfeld zum Tagesgeschäft. Die unzureichende Vergütung der Lehrkräfte verhinderte, dass dringend benötigte neue nach Alsfeld wechselten und erhöhte die Abwanderungsgefahr vorhandener. Der finanzielle Beitrag umliegender Gemeinden mit Kindern in der Alsfelder Musikschule blieb mehr als unbefriedigend. Erneut entwickelte sich eine Diskussion über die Rechtsträgerschaft und eine mögliche Organisation auf Kreisebene. Die Kulturgemeinde ging in die Öffentlichkeit und veranstaltete Ende 1992 in der Stadthalle eine prominent besetzte Podiumsdiskussion mit dem Thema: „Musikschule: Bildungsauftrag der öffentlichen Hand oder teures Privatvergnügen?“ Aber es änderte sich nichts grundlegend.
1995 konnte mit gesundem Selbstbewusstsein das 10-jährige Jubiläum gefeiert werden. Das Unterrichtsangebot wuchs stetig: Es gab jetzt eine „Orientierungsphase“ nach der musikalischen Früherziehung und einen „Grundkurs für Erwachsene“. In Zusammenarbeit mit den allgemein bildenden Schulen wurde Klassenunterricht eingerichtet, und der ortsgebundene Unterricht in Nachbargemeinden nahm zu. 1999 wurde sogar in Homberg eine Außenstelle eröffnet, die aber keinen langen Bestand hatte.
Als die Stadt 1996 Eigenbedarf für die Räume im Pfarrwiesenweg anmeldete, nahm man das Angebot an, mit dem Musikschulbüro in das Haus Schellengasse 13 umzuziehen. Zuschusskürzungen 1998 erzeugten noch einmal Krisenstimmung. Das Stichwort „Kulturstiftung“, im Jahr zuvor durch Landrat Ulrich Lipphardt und Sparkassendirektor Ferdinand Maikranz geboren, weckte neue Hoffnung, aber der plötzliche Tod von Ferdinand Maikranz 1997 verhinderte jegliche Konkretisierung. Es wäre eine Chance für Alsfeld insgesamt gewesen.
Musikschule und Öffentlichkeit
Was wäre eine Musikschule ohne Präsentation ihrer musikalischen Erfolge in der Öffentlichkeit! So fand bereits 1986, kaum ein Jahr nach Gründung der Musikschule, das erste Schülervorspiel statt. Seitdem gehören öffentliche Vorspiele zum festen Jahresprogramm. Immer wieder unterstreichen auch Einladungen zur musikalischen Umrahmung von Jubiläen, Festakten und ähnlichen offiziellen Anlässen die Wertschätzung und Unterstützung der Musikschularbeit. Mehrfache Auftritte zum „Deutschen Musikschultag“, am „Tag der offenen Tür“, Mitwirkung bei Konzerten aller Vogelsberger Musikschulen oder bei Veranstaltungen des Alsfelder Kammerorchesters und nicht zuletzt Konzerte, die von Lehrerinnen und Lehrern gestaltet waren, belegen die Verbundenheit mit der Öffentlichkeit.
Gehören Klassen-Vorspiele noch zum „Pflicht“-Programm einer Musikschule, so verdienen die Leistungen bei dem jährlichen Wettbewerb „Jugend musiziert“ eine besondere Hervorhebung. Seit Ralf Caspar Anfang 1992 erstmals Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme gewinnen konnte, sind die regelmäßig erreichten Spitzenplätze bis in die Gegenwart auch ein überzeugender Beweis für die Qualität des Unterrichts. Gestaffelt vom ersten öffentlichen „Probelauf“ in Alsfeld über den Regional- und Landes- bis zum Bundesentscheid stellt der renommierte Wettbewerb hohe Anforderungen an intensive Vorbereitung, Arbeitsbereitschaft, Durchhaltevermögen und vertieftes musikalisches Verständnis der jungen Musiker. Spitzenplätze auf Landes- bzw. Bundesebene konnten bisher in ihrer jeweiligen Altersklasse Sebastian Caspar (Violine), Cornelius Laube (Schlagzeug), Ilja Pletner, Christopher Tränka und Anton Urvalov (alle Violine) erreichen.
Doch nicht nur die besondere Einzelleistung bestimmt das Renommee einer Musikschule; vielfältige Ensemble-Aktivitäten gehören gleichermaßen dazu. Mit dem „Instrumentalkreis für Erwachsene“ unter Leitung von Ursula Geist und Friederike Gelbrich fing es 1986 an. Die Gruppe stand und steht allen offen, die ein Instrument spielen oder früher einmal gespielt haben und ohne hohe Anforderungen und Leistungsdruck miteinander musizieren wollen. Der ausgewiesene Flötenspezialist Ralf Caspar gründete kurz nach seinem Start 1991 die Blockflötengruppe „Flauti dolci“, die zuletzt bei den „Turmkonzerten“ in der Walpurgiskirche 2005 zu hören war. Weitere Blockflötenensembles werden von Marita Caspar betreut. Mit attraktiven Auftritten einige Male in der Innenstadt präsentierten sich das Schlagzeugensemble und die Samba-Gruppe von Elke Saller sowie Uli Schimpfs Saxofonquartett. Ebenfalls seit 1986 existieren die „Junioren-Streicher“, unter Leitung von Gisela Mága, die auch seit rund 15 Jahren die Grebenauer Geigen-Gruppe (GGG) führt, einen Kreis Geige spielender Erwachsener und erwachsen gewordener Schüler der Musikschule. Nach zwischenzeitlicher Cello-Verstärkung nennt sich das Ensemble heute Grebenauer Streicher-Gruppe (GSG). Dass es auch Lehrkräfte reizt, sich zusammenzutun und in kleiner Formation aufzutreten, zeigten von 1996 bis 2006 das Streicher-Trio „Tricinium Alsfeld“ (Wladimir Pletner, Violine; Friederike Gelbrich, Viola; Gisela Mága, Violine), ab 1992 das „Vogelsberger Salonmusik-Trio“ (Anka Hirsch, Frieder Krauss und Walter Windisch-Laube) sowie seit 1998 das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Duo „Flex à Ton“ von Elke Saller und Uli Schimpf.
Ein Bindeglied anderer Art zwischen Musikschule und Öffentlichkeit ist der „Ohrwurm“. 1996 von Elke Saller und Astrid Dippell initiiert, und heute von Dr. Walter Windisch-Laube zusammen mit der Schulsekretärin Gabriele Kraus betreut, erscheint die kleine Musikschulzeitung mehrfach im Jahr. Meist mit einem Leitartikel zu einem grundsätzlichen oder aktuellen Thema beginnend, reichen die Inhalte von Termininformationen über Vorstellung neuer Lehrkräfte bis zum Verkaufsangebot von Instrumenten.
Krisenjahre 2007 und 2008
In der 2. Hälfte der 1990er-Jahre wuchs die Schülerzahl auf über 600 und erreichte damit ihren höchsten Stand seit Gründung der Schule. 85 % des Unterrichtes fanden jetzt in Räumen des Gymnasiums In der Krebsbach 10 statt. Bei den immer wieder in Diskussion stehenden städtischen Zuschüssen bahnte sich eine Wende an: Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von Januar 2001 führte zu einem Fördervertrag mit der Kulturgemeinde. Für jeden Schüler jede Schülerin aus Alsfeld zahlte die Stadt einen festen Betrag pro Jahr, so dass sich die Planungsbasis für die Musikschule verbesserte. Damit war auch in der Folgezeit der Weg vorgezeichnet, für auswärtige Schüler, deren Gemeinden sich nicht finanziell beteiligten, einen geringen Zuschlag zur normalen Unterrichtsgebühr zu verlangen.
In der Schellengasse 13 konnten 2003 drei weitere Räume zu günstigen Konditionen für Unterrichtszwecke angemietet werden. Eine willkommene Möglichkeit, denn zunehmender Eigenbedarf für die Oberstufe des Gymnasiums und einige andere Probleme führten gegen Jahresende zum gänzlichen Rückzug aus dem Gebäude Krebsbach. Dafür wurde wieder vermehrt die Geschwister-Scholl-Schule in der Jahnstraße benutzt.
Rückläufige Schülerzahlen auf rund 500 im Jahr 2005 wiesen erstmals auf Schwierigkeiten hin, die durch private Anbieter von Musikunterricht entstehen können. Mit deutlichen Abschlägen auf die Gebührensätze der Musikschule wurde suggeriert, dass qualifizierter Unterricht billig zu haben sei. Leidtragende waren in erster Linie die Lehrerinnen und Lehrer der Musikschule, denen Unterrichtsstunden verloren gingen. Umso erfreulicher, dass 2006 nach längeren Bemühungen an der Albert-Schweitzer-Schule für die 5. und 6. Klassen das Projekt „Streicher-Klasse“ startete und Lehrkräfte der Musikschule einbezogen wurden.
Dann passierte etwas, was man nicht für möglich gehalten hatte: Nach ersten Gerüchten im Frühjahr 2007, die Stadt wolle angesichts ihrer angespannten Finanzsituation alle freiwilligen Leistungen streichen, wurden im Juni 2007 ohne Vorwarnung der Fördervertrag für die Musikschule und der Mietvertrag für die Räume in der Schellengasse 13 gekündigt. Die Aufregung war groß, aber alle Proteste in Form von Leserbriefen, Unterschriftensammlungen und persönlicher Ansprache von Politikern halfen nichts. Auch das Angebot der Stadt, in Räume des Hauses Volkmarstraße 3 umzuziehen, war wenig hilfreich. Die Herrichtung für Musikunterricht (z. B. Schallschutzmaßnahmen) hätte eine Investition von ca. 10.000 Euro erfordert. Eine ähnliche Größenordnung hatte man schon vor Jahren in der Schellengasse 13 investiert. Der Vorstand der Kulturgemeinde als Träger der Musikschule beschloss sogar, der Stadt das Haus Schellengasse 13 abzukaufen, als günstige Umstände ermöglichten, das Erdgeschoss des altehrwürdigen Hauses Schwabenröder Straße 8 (1898 von Peter Heinrich Gustav Ramspeck erbaut) ab Januar 2008 anzumieten. Als nach turbulenten Bürgerversammlungen und erneuten Protesten Mitte des Jahres klar war, dass mit einer weiteren finanziellen Unterstützung seitens der Stadt nicht mehr zu rechnen war, stand die Zukunft der Musikschule auf dem Spiel. Der Ausspruch des früheren Bundesinnenministers Otto Schily „Wer Musikschulen schließt, schadet der Inneren Sicherheit“ kam in Erinnerung. Nur durch zahlreiche Spenden sowohl von Organisationen als auch von privater Seite und durch eine 10%-ige Gebührenerhöhung konnte der Weiterbestand der Musikschule zunächst gesichert werden. Leider erkrankte gegen Jahresende 2008 der Musikschulleiter Ralf Caspar schwer. Seine Aufgaben werden seither von Dr. Walter Windisch-Laube wahrgenommen.
Ausblick
Im 25. Jahr ihres Bestehens präsentiert sich die Musikschule als lebendiger und unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Angebots in Stadt und Region. Nicht mehr Wachstum und Größe, sondern Vielfalt, Qualität und Kontinuität stehen jetzt im Vordergrund. Mit Renate Glitsch, Edith Köhler und Gisela Mága unterrichten noch drei Lehrerinnen der 1. Stunde. Fast 60 % der derzeit 24 Lehrkräfte sind 15 Jahre oder länger dabei. Der Anteil der über 20-jährigen Schülerinnen und Schüler an der Gesamtschülerzahl liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt, was für ein breites Interesse der Bevölkerung spricht.
Neue Aufgaben wie z. B. das „JeKi“-Projekt („Jedem Kind ein Instrument“) bedeuten neue Herausforderungen und Chancen. Die 2003 in Bochum entstandene und später vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Idee, jeden Grundschüler ein Instrument seiner Wahl spielen lernen zu lassen, hat bundesweit Interesse gefunden. Seit dem Schuljahr 2008/2009 finanziert auch das Hessische Kultusministerium ein entsprechendes Projekt, wobei die Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Zu den Auserwählten gehört die Grundschule Ruhlkirchen, die hier mit der Alsfelder Musikschule zusammenarbeitet.
Auch in Zukunft wird es immer wieder mal darum gehen, ob ein privater Verein die richtige Basis für die Rechtsträgerschaft sein kann und wie man eine auskömmliche Finanzierung organisiert. Dass das Bundesverwaltungsgericht im Oktober letzten Jahres die Streichung eines zwar freiwilligen, aber langjährig gezahlten kommunalen Zuschusses für kulturelle Infrastrukturen für unzulässig erklärt hat, ist angesichts der Finanzsituation der Stadt Alsfeld nur ein schwacher Trost. Ebenso ersetzt die erstmalige Teilhabe der Musikschule am Budget der städtischen Jugendförderung (früher Vereinsförderung) nur einen Bruchteil des ehemaligen Fördervertrages.
Wenn ca. 80 % der Einnahmen einer Musikschule durch Elternbeiträge aufgebracht werden müssen und ca. 90 % der Ausgaben Personalaufwendungen darstellen, sind die Herausforderungen der Zukunft klar umrissen. Die Verantwortlichen der Alsfelder Musikschule setzen weiterhin auf das private Engagement. Sie haben gelernt, von der Politik keine Unterstützung mehr zu erwarten. Wenn es sie nicht schon seit 25 Jahren gäbe: Kann man sich vorstellen, dass Alsfelder Bürger heute noch einmal den Mut zur Gründung einer Musikschule aufbrächten?
Quellen:
Vorstandsprotokolle der Kulturgemeinde Alsfeld e.V. 1984–2009
Unterlagen der Musikschule 1985-2009
Musikschulzeitschrift „Ohrwurm“ 1996-2010
Oberhessische Zeitung 1985–2010
Die Veröffentlichung des Textes im Rahmen des Internetprojekts www.Geschichtsforum-Alsfeld.de
wurde vom Autor, den Fotografinnen und Fotografen genehmigt.
Erstveröffentlichung:
Dr. Norbert Hansen, 25 Jahre Alsfelder Musikschule, in: Heimat-Chronik Alsfeld, 26. Jahrgang, 2010, Heft 8, S. 1-4.
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[GFA]-Nachtrag [am 01.03.2024]
Das derzeitige Zuhause der Alsfelder Musikschule:
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[Stand: 01.03.2024]