Georg Bonn (1917-1994)

Von Karl Brodhäcker, Alsfeld (2012)

Wie einst seinem oberhessischen Landsmann, dem Groß-Eichener Ernst Eimer (14.7.1881-03.05.1960), war es dem Leuseler Georg Bonn (03.07.1917-26.11.1994) von Herkommen und Ausbildung nicht vorbestimmt, Kunstmaler zu werden. So wie Eimer war Bonn ein Naturtalent, dem die Begabung des Zeichnens und Malens mit in die Wiege gelegt wurde, wie der Volksmund sagt. Und wie der 36 Jahre Ältere vom oberen Vogelsberg, der als Bauernjunge in der Landwirtschaft helfen und sich seinen Künstlerberuf erst hart erarbeiten und erkämpfen musste, so musste auch der am Fuße des Vogelsbergs aufgewachsene Arbeitersohn Georg Bonn als ungelernter Arbeiter darum ringen, Kunstmaler zu werden. Sein Leuseler Lehrer Hedderich hatte die Zeichenbegabung seines Schülers zwar erkannt und soweit ihm das möglich war gefördert. Aber die Kunst galt auch noch zu Bonns – wie zu Eimers – Zeit im ländlichen Raum nicht als eigentliche Arbeit, mit der man sein Brot verdient.

Georg Bonn (1917-1994)
Privatfoto © Karl Brodhäcker

Vater Bonn, der noch heute in der Familie als ernster, strenger Mann in Erinnerung ist, konnte keinem seiner sieben Kinder eine „ Extra Wurst braten“, wie man sagt; das heißt, auf Kosten der anderen, einem der Kinder eine höhere Schulbildung ermöglichen. Wie seine Geschwister musste auch Georg nach der Schulzeit zum Broterwerb beitragen. Das tat er als Arbeiter in der Alsfelder Hutfabrik Rockel und danach in der Möbelfabrik. Zeit zum Zeichnen und Malen blieb ihm nur in Stunden nach einem ausgefüllten harten Arbeitstag oder am Wochenende. Wie Ernst Eimer gab auch Georg Bonn seinen Wunsch, die Malkunst zum Beruf zu machen, nicht auf. Allein sein zäher Wille, gepaart mit seiner Begabung und schließlich deren Förderung ebneten ihm – wie einst Eimer – den Weg zum Studium am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt.

Die drei Jahre Städel absolvierte Georg Bonn während des Zweiten Weltkriegs. Soldat wurde er aus Gesundheitsgründen nicht (schwaches Herz). Und doch waren die Kriegs- und künstlerischen Ausbildungsjahre für Bonn eine harte Zeit, denn schließlich hat er 1937, also mit 20 Jahren, die Alsfelderin Anna, geborene Braun, geheiratet und trug die Verantwortung eine Familie zu ernähren. Von der Kunst zu leben war und ist immer noch für viele eine Kunst für sich.

Der Vater des Künstlers
Foto © Karl Brodhäcker

Hier hören die Vergleiche zwischen den beiden Vogelsberger Kunstbeflissenen auf. Denn während Eimer nach seiner künstlerischen Ausbildung noch vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) nach Darmstadt, später nach Frankfurt übersiedelte, dort mit der Kunstszene in Verbindung kam, an ihr aktiv teilnahm und als Maler großes Ansehen errang, sogar den Ehrentitel „Deutscher Märchenmaler“ erhielt und gut vom Verkauf seiner Gemälde leben konnte, war es Georg Bonn nicht vergönnt, die Heimatgefilde zu verlassen. Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, mit allen ihren Schwierigkeiten des wirtschaftlichen Überlebens, verhinderten, dass er, wenn er es denn gewollt hätte, Anschluss an die Malergilden in Frankfurt, Kassel, Düsseldorf oder einer anderen Kunstmetropole aufnehmen konnte. Er blieb in Alsfeld. Georg Bonn hat in den Nachkriegsjahren hart gearbeitet, um den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen. Dazu war ihm keine Tätigkeit zu viel. So hat er unter anderem für seinen Kollegen Ernst Heidersdorf Tapetenentwürfe angefertigt. Nachdem Heidersdorf mit seiner Familie nach Kanada ausgewandert war, hat Bonn Bilderrahmen hergestellt, war über den Auftrag dankbar, der Stadt Alsfeld, wo er seit seiner Heirat wohnte, Gemälde, die sich im Museum befanden, zu restaurieren; hat heimische Motive auf Postkarten gezeichnet und sie vertrieben. Was er nicht für Geld absetzen konnte, für das man vor der Währungsreform sowieso nur wenig kaufen konnte, wurde im Tauschhandel weggegeben.

Alsfelder Kirchplatz
Foto © Karl Brodhäcker

Tauschhandel stand in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hoch im Kurs. Den machten sich auch andere Künstler, nicht nur in Alsfeld, zu Nutze: Eine Zeichnung, ein Ölbild für Naturalien, für Kohle, Holz, Wolle, Schuhe, Stoff, Kartoffeln, Eier oder Speck und andere nützliche Dinge des Alltags einzutauschen, halfen zu überleben. Glück hatte, wem das gelang.

Herbst in Oberhessen
(Ölgemälde)

In späteren Jahren hatte Georg Bonn dann mehr Zeit und konnte zeichnen und malen, ohne davon von der Hand in den Mund leben zu müssen. Da er sehr arbeitsam war, kam im Laufe seines Lebens eine große Anzahl Ölgemälde, schwarz-weiße und farbige Zeichnungen, Holzschnitte, Lithografien, Radierungen und Arbeiten in anderen Techniken als Einzelblätter oder in Motivmappen zusammen, die heute weit verstreut sind. Sie befinden sich im Privatbesitz, in Museen, bei Sammlern und einige haben sich in der Familie erhalten. Einen geringen Teil davon (31 Gemälde und 51 graphische Arbeiten) konnte ich in Alsfeld und Umgegend fotografieren.

Dass Georg Bonn ein begabter Künstler war, viel gearbeitet hat und von seiner Kunst überzeugt war, hat nicht verhindert, dass sein Name im Laufe der letzten Jahre mehr und mehr verblasst ist. Die jüngere Generation hat zum Teil noch nie von ihm gehört. In Ausstellungen und Kunstbüchern fehlt sein Name, fehlen seine Bilder. Das mag damit zusammenhängen, dass er sich vom öffentlichen Kunstbetrieb zurückgezogen hatte. Auch im Alsfelder Kunstverein war er nicht Mitglied.

Dabei hatte Georg Bonn gleich nach dem Krieg Tuchfühlung mit Berufskollegen aufgenommen. In Alsfeld, Willingshausen, vor allem in Lauterbach, aber auch in verschiedenen Dörfern des Vogelsberggebietes hatten sich […] Künstler niedergelassen, nicht nur einheimische, sondern auch solche, die als entlassene Soldaten hier eine Bleibe gesucht und gefunden hatten. Bereits 1946, also nur eineinhalb Jahre nach Kriegsende, hatten sich Maler und Grafiker zur „Arbeitsgemeinschaft bildender Künstler Alsfeld-Lauterbach-Willingshausen“ zusammengefunden und luden zu einer Weihnachtsausstellung ein. Georg Bonn beteiligte sich daran mit seinen Ölgemälden „Am Waldrand“ – „Mädchen mit Gitarre“ – „Alte Frau“ – „Zitherspielende – Zigeunerin“ – „An der Krebsbach“ – „Die Unterhaltung“ und „Mädchen vom Katzenberg“.

Auch an der von der Alsfelder Kulturgemeinde veranstalteten Alsfelder Frühjahrsausstellung des Berufsverbandes bildender Künstler (BbK) mit Sitz in Lauterbach, vom 15. bis 23. Mai 1948 im damals noch existierenden Alsfelder Kasinogebäude nahm Georg Bonn neben 21 anderen Künstlern teil. Er stellte Ölbilder mit den Titeln: „Felsenlandschaft“ – „Mein Vater“ – „Der Holzfäller“ – „Ludwig Ploch“ – „Schwälmer Bauer“ – „Hessischer Bauerkopf“ – „Schwälmer Dreimaster“ – „Pfefferhöhe“ – „Selbstbildnis‘“ und „Stillleben“ aus.

Überliefert ist ferner, dass Werke von Georg Bonn in der vom Geschichts- und Altertumsverein der Stadt Alsfeld veranstalteten Kunstausstellung heimischer Maler vom 20.09.1953 bis 04.10.1953 zu sehen waren.

An den Ausstellungen des im Jahr 1972 gegründeten „Alsfelder Kunstvereins“, dem Bonn wie erwähnt nicht beitrat, nahm er nicht mehr teil.

Irgendwann in dieser Zeit bekam der Kontakt zwischen Alsfelder Malerkollegen und Georg Bonn einen Riss. Vor allem stimmte die Chemie zwischen Karli Weitzel und Georg Bonn nicht, was Jahre hindurch zur Entfremdung zwischen den Beiden beitrug. Tochter Hildegard Schenk, geb. Bonn, erinnert sich, dass ihr Vater seinen Malerkollegen Karli Weitzel kurz vor dessen Tod besucht habe. Dabei hätten sich die Beiden ausgesprochen und versöhnt.

Trotzdem halte ich es für möglich, dass dieses langjährige Zerwürfnis der Grund dafür war, dass Georg Bonn im Gegensatz zu Karl Weitzel nicht Mitglied des Alsfelder Kunstvereins wurde. Nicht Mitglied im Kunstverein zu sein, das führte dazu, dass Bonns Werke in der Öffentlichkeit nicht mehr präsent waren und mit ihnen der Künstler, der Ende der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts seinen Wohnsitz von Alsfeld nach Hopfgarten verlegte, wo er das alte Pfarrhaus erwarb.

Es soll hier nicht auf die Rivalitäten zwischen Künstlern eingegangen werden, die gab und gibt es auch anderswo. In Bezug auf Bonns Arbeit bleibt allerdings festzustellen, dass er in der Alsfelder Kunstszene nicht mehr vertreten war. Er wurde, wie solche Künstler in der Kunstgeschichte bezeichnet werden: zum Einzelgänger, ohne jedoch zum Eigenbrötler zu werden. Von den Alsfelder Malern und Malerinnen hatte Bonn nur noch mit Benedikta Grünewald (1905-1976) Kontakt, die, wie er, in vielen Facetten der Malerei zu Hause war und ihn als Kollegen schätzte. Der in Alsfeld geborene Ferdinand Stein, Bad Salzschlirf, bei dessen Eltern Georg Bonn mit Familie in der Alsfelder Hochstraße einige Jahre wohnte, beschrieb mir den Maler, in dessen Atelier er oft gewesen sei, mit den Worten: „Das war ein prima Kerl, mit dem man sich hervorragend unterhalten konnte“. Ähnliche Äußerungen zu Bonns Person erhielt ich auch von anderen Alsfeldern, die dem Menschen Bonn nahe standen. Georg Bonns Schwiegertochter sagte mir bei meinen Recherchen, dass es ihrem Schwiegervater nicht gelegen habe, „sich in den Vordergrund zu drängen: Er hat seine Arbeit getan und sich nicht um die anderen geschert“. Auf Publicity habe er keinen Wert gelegt, ebenso wenig sei er daran interessiert gewesen, seine Werke auszustellen, was sie oft bedauert habe.

Ich selbst habe den zwei Jahre älteren Georg Bonn zwar gekannt, wusste auch von seiner Laufbahn als Maler, habe ihn aber als Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg im Gegensatz zu Karli Weitzel, Willi Weide, Robert Müller und anderen, mit denen ich in Kontakt hatte, nicht wahrgenommen. Das lag aber auch daran, dass Bonn selbst, ebenfalls im Unterschied zu anderen Alsfelder Malern, von sich aus keine Tuchfühlung zu mir suchte, wie es andere vor allem in der Zeit taten, als ich als Redakteur der Oberhessischen Zeitung tätig war.

Bonn wurde einer der Stillen im Lande; ein emsiger Arbeiter, der viel im Schwalmtal, im Vogelsberg, in der Rhön, aber auch in anderen Gegenden Hessens auf Motivsuche unterwegs war. Nur noch Insider wissen seine vorzüglichen Städte-, Brunnen- sowie Zeichnungen romantischer Stadtviertel und Dorfecken in Farbe oder in Schwarz-Weiß, seine Holzschnitte, seine Portraits von Schwälmer Bauern, seine Landschaftsbilder und Stillleben, vor allem Blumenarrangements in Öl, zu schätzen. Ein „Himmelsstürmer“, ein Avantgardist, der um neue Stilrichtungen in der Malerei gekämpft, oder sich irgendwelchen Erneuerern angeschlossen hätte, war Georg Bonn nicht. Er blieb bei dem, was er konnte, gelernt und auf der Kunsthochschule vervollkommnet und gefestigt hatte, blieb dem Naturalismus, der gegenständlichen Malerei verhaftet und war besonders der Landschaftsmalerei und dem Portrait zugetan. Das „Moderne“, Abstrakte, lag ihm nicht. Wer auch hätte ihm Bilder à la Picasso abkaufen sollen? Dafür war und ist die Provinz zu konservativ, und von den wenigen einzelnen hier angesiedelten Kunstsammlern und -kennern kann ein Maler auf dem flachen Land nicht leben.

Im Schwalmgebiet, das es Bonn besonders angetan hatte, zählte er wohl zu den letzten Malern, die noch einen Zipfel der Schwälmer Eigenart zu fassen bekamen. Denn das, was einmal die Kunstmaler in die Schwalmdörfer und vor allem nach Willingshausen mit seiner früheren Malerkolonie gelockt hatte, war zu Bonns Zeiten schon am Vergehen. Was die Maler einst so geliebt und in unzähligen Bildern verewigt hatten, ist heute nur noch Erinnerung: Die einst bei den Malern so beliebte Tracht der Schwälmerinnen und Schwälmer machte auch hier moderner Kleidung Platz. Sie verschwand nicht nur im Straßenbild der Schwalmdörfer, sondern damit auch in den dem Schwalmtal nahen Städtchen und ist heute nicht mehr anzutreffen. Georg Bonn war es noch möglich, Schwälmerinnen und Schwälmer im „Urzustand‘“, also noch in ihrer Tracht im Alltag, zu zeichnen und zu malen.

Schwälmer Bauer (Privatbesitz)
Foto © Karl Brodhäcker
Schwälmer Bauer (Privatbesitz)
Foto © Karl Brodhäcker

Im Oktober 2007 fand im Alsfelder Regionalmuseum eine von der damaligen Vorsitzenden des Alsfelder Geschichts- und Museumsvereins, Dr. Monika Hölscher, initiierte Ausstellung mit einer Vielzahl von Bonns Werken statt, für die ich viele Bilder aufspürte. Die Ausstellung wies noch einmal auf die Arbeiten des Künstlers hin, eine Ausstellung gegen das Vergessen von Georg Bonn.

Erstveröffentlichung:

Karl Brodhäcker, Georg Bonn, in: Alsfelder Kunstmaler des 20. Jahrhunderts. Oder: Was bleibt, sind Bilder und Erinnerungen, in: Karl Brodhäcker, Der Mord am Türmer. Erinnerungen an Alsfelder Geschehnisse und Personen, 2012, S. 222-232.

Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von seinen Rechtsnachfolgern genehmigt.

[Stand: 12.06.2024]