Johanna Merck, gen. Merckin

Von Dagmar Klein, Gießen (1997)

Johanna Merck, geb. 1737 in Gießen, gest. 1773 in Alsfeld
Dichterin in Alsfeld
Ehrenmitglied der „Göttinger Teutschen Gesellschaft

Johanna Merck ist eine der wenigen hessischen Dichterinnen aus der frühen Zeit der Aufklärung, von denen wir noch wissen. Als Professorentochter in Gießen geboren, kam sie durch Heirat zunächst nach Darmstadt, dann nach Alsfeld. Dort schrieb sie nicht nur ihre Gedichte und prosaischen Werke, sondern publizierte auch. Zu Lebzeiten wurde sie bereits gerühmt als „eine deutsche Sappho“, nach der berühmtesten Dichterin der Antike (630-570 v.u.Z.). Diesen Ehrentitel trug ebenfalls ihre Zeitgenossin Anna Louise Karsch (1711-1799), auch „die Karschin“ genannt. Ein hohe Ehre wurde der Merckin zuteil, als sie 1760 zum Ehrenmitglied der „Göttinger Teutschen Gesellschaft“ ernannt wurde. Es ereilte sie das Schicksal vieler Frauen dieser Zeit, sie starb im Wochenbett nach der Geburt des siebten Kindes.

Der Vater Ernst Friedrich Neubauer (1705-1748) kam 1732 nach Gießen als Professor für griechische und orientalische Sprachen. Auf den Lehrstuhl berufen wurde er von Johann Jacob Rambach (1693-1738), dem berühmten und streitbaren Theologen. Nach dessen Tod wurde Neubauer sein Nachfolger und 1743 zum ordentlichen Professor für Theologie ernannt. Neubauer ist auch der Herausgeber von Rambachs Schriften. Von Johanna Mercks Mutter Carolina Benigna, geb. Hahn aus Langensalza, ist immerhin bekannt, dass sie sich in zweiter Ehe mit dem Gießener Medizinprofessor Andreas Müller (gest. 1762) verheiratete.

Über Kindheit und Erziehung wissen wir nichts, erst mit ihrer Heirat am 5. Juli 1789 wird Johanna Merck aktenkundig. Sie ehelicht den Alsfelder Amtsphysikus Franz Christian Merck, der ein Jahr zuvor bei o.g. Prof. Müller promoviert hat. Johanna Merck heiratet damit in die berühmte Familie Merck ein: ihr Ehemann ist der Stiefbruder des Kriegsrates und Goethe-Freundes Johann Heinrich Merck (1741-1791).

Die Familie zieht zunächst nach Darmstadt, wo Dr. Merck zum Hofmedicus ernannt wird, um dann mit fester Besoldung als Stadt- und Landphysikus nach Alsfeld versetzt zu werden. Ab 1764 sind sie urkundlich in Alsfeld erwähnt, am 26. November kaufen die Mercks ein Haus. Johanna Merck bringt 7 Kinder zur Welt, von denen vier früh sterben. Die Geburt des letzten Kindes überlebt sie nicht.

Der Gatte formuliert seine Trauer in einem Schreiben an die „Göttinger Teutsche Gesellschaft“ in einer 10-strophigen Ode. Doch nicht einmal ein Jahr später ist er wieder verheiratet, mit Christina Klipstein aus Darmstadt. So schnell ging das in damaligen Zeiten, Kinder und Haushalt wollten versorgt sein.

Lebensgeschichtliche Spuren sind in ihren veröffentlichten Texten kaum zu finden, wie Biograph Peter Merck schreibt (1967/1968). Obwohl Johanna Merck im Vorwort ihrer ersten Prosa-Sammlung wertlegt auf die Unterscheidung, „dass ich als Frauenzimmer, und nicht als ein auf Ruhm denkender Schriftsteller, geschrieben“.

„Gedichte eines Frauenzimmers“,
Johanna Mercks erste Publikation 1759
Band 1 der Versuche in Prosaischen Stücken von Johanna Merck, erschienen 1763

Nur einmal weist Johanna Merck darauf hin, dass die Geschäfte „oft alle Kräfte meines Geistes niederdrücken“ und sie vom Schreibtisch fernhalten. Einzig ihre Betroffenheit durch den frühen Tod der Kinder findet Erwähnung (2. Sammlung): „Sie ist nicht mehr. Mein jüngster Liebling ist erblasst. Der Schmerz einer Mutter, wenn sie ein Kind in ihre Arme schließet, und schnell als ein Gedanke wird es ihr entrissen, ist mehr durch Gefühl als durch Worte zu beschreiben. Gott! Welche Tränen hat es mir gekostet.“

Inhaltlich dichtet und schreibt die Merckin ganz im Geist ihrer Zeit, der mit Empfindsamkeit und Freundschaftskult zu charakterisieren ist. Wie die Karschin verherrlicht sie die Taten des Königs, besingt unermüdlich die Natur, um in den Werken der Schöpfung Gott zu lobpreisen. Elegischer Weltschmerz durchzieht ihre Verse, in Anlehnung an Klopstock und an die großen englischen Vorbilder, Edward Young und Samuel Richardson.

Aber nicht nur Erbauungsliteratur fließt aus ihrer Feder, sondern auch pädagogische Betrachtungen, zum Beispiel über die Unwissenheit vieler Frauen, deren Ursache sie nicht in der Biologie, sondern in der Erziehung sieht: „Der fast allgemeine Fehler bey dem Weiblichen Geschlecht ist, daß viele reden ohne zu wissen, was man redet. Dieser Fehler so gemein er ist, ist nicht durch die Natur sondern durch die Erziehung fortgepflanzt.“

In ungewöhnlich scharfer Form wendet sie sich gegen die unverantwortliche Schwachheit der Eltern, die Kinder zu einer Wahl zu zwingen. Gemeint ist die Wahl des Ehepartners / der Ehepartnerin. Das bürgerliche Zeitalter mit der Gattenwahl aus Liebe naht.

Werke
Gedichte eines Frauenzimmers, 2 Bände, hrsg. von J. Lampe, Frankfurt 1759 und 1760.
Versuche in Prosaischen Stücken, 4 Sammlungen, Frankfurt und Leipzig 1763, 1767, 1770, 1775 (posthum).

Literatur

Peter Merck, Eine „deutsche Sappho“ aus Alsfeld. Zum 230. Geburtstag der Dichterin Johanna Merck,
in: Heimat im Bild, 1967, Nr. 8, S. 1-4.

Deutsches Literatur-Lexikon, Wilhelm Kosch, 3. Auflage, Band X, 1986.

Die Veröffentlichung des Textes der Autorin im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihr genehmigt.
Vielen Dank!

Erstveröffentlichung:

Dagmar Klein, Johanna Merck, gen. Merckin. Johanne Marie Elisabeth, geb. Neubauer (1737-1773), in: Dagmar Klein, Frauen in der Gießener Geschichte. 52 Biographien und sozio-kulturelle Hintergründe, Gießen 1997, S. 61-63.

[Stand: 16.03.2024]