Von Konrad Kaufmann, Berfa (2007)
Der Bechtelsberg ist ein Ausläufer des Vogelsberges, der mit einer Ausdehnung von 2.500 Quadratkilometern als das größte zusammenhängende Basaltgebiet in Europa gilt. Seine Entstehung verdankt er gewaltigen Vulkanausbrüchen vor zwanzig Millionen Jahren. Auf dem Bechtelsberg sind einige kleinere Durchbrüche und Ausbruchsspalten zu erkennen. An der rechten Seite der Straße nach Ottrau finden wir einen porösen Säulenbasalt, der von der Gemeinde Berfa als Unterbau für den Ausbau der Feldwege verwendet wurde. In den alten Protokollbüchern ist verzeichnet, dass auch die Nachbargemeinden sich Steinmaterial vom Bechtelsberg für ihren Feldwegebau holten und so zur Unterstützung der Berfaer Gemeindekasse beitrugen.
Ein weiterer Steinbruch war die Rumpelskuppe, deren Eigentümer die Herren von Schwertzell in Willingshausen sind. Der Stein dort ist wesentlich härter und wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg zu Pflastersteinen verarbeitet. Außerdem befestigten die von Schwertzell ihre Waldwege mit diesem Steinmaterial.
Basaltsteinbruch
Der Steinbruch auf dem vorderen Bechtelsberg hat eine andere Beschaffenheit; hier kommt das Material in größeren Blöcken von zum Teil über einem Kubikmeter vor und ist sehr schwer zu bearbeiten. Der Stein eignet sich hervorragend zum Mauern. Bei der Bachregulierung der Berfa 1934/1935 wurden dort die Steine für die Ufermauern gebrochen. Als Kinder schauten wir den Arbeitern bei ihrem Tagewerk oftmals zu. Einer der Beschäftigten, Heinrich Schilling, war vor dem Ersten Weltkrieg in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika im Einsatz gewesen. Er hatte eine Hütte aus kleinen Baumstämmen gebaut, wie sie bei den Eingeborenen üblich war. Das weckte unsere Neugierde, und wir hörten dem Erzähler gerne zu, wenn er beim Frühstück seine Erlebnisse aus dem schwarzen Kontinent zum Besten gab, obwohl deren Glaubwürdigkeit oftmals auch angezweifelt wurde. Doch es zog uns immer wieder zu ihm hin, war es doch zu spannend und aufregend für uns. Unter anderem erzählte er die Geschichte von einer Schwarzen, die von einem deutschen Afrikakämpfer ein Kind bekommen hatte. Nach Heinrichs Schilderung war das Kind von Kopf bis Fuß auf der linken Seite schwarz und auf der rechten weiß. Das erschien auch uns Kindern sehr zweifelhaft. Später diente uns die Hütte als Spielort, wo Eier gebacken und anschließend verspeist wurden Auch das Rauchen von Wildkümmelstengeln (Kälberkern) wurde ausprobiert.
Viele Berfaer holten sich beim Hausbau die Steine für das Erdgeschoss in diesem Bruch. Die letzten wurden 1956 für das Wohnhaus von Konrad Kaufmann verwendet. Seit um 1960 die Betonsteine in den Handel kamen, wurde die Selbstwerbung auf dem Bechtelsberg eingestellt.
Sandsteinbrüche und Sandgruben
Auf der Nordseite des Bechtelsberges, an der Gemarkungsgrenze nach Ottrau, befand sich die Gemeindesandgrube und ein Sandsteinbruch. Die Ausbeute war nicht sehr groß, zumal sich auch Tonablagerungen zwischen Sand und Stein befanden. Daher wühlte jeder nach eigenem Gutdünken und ohne System in dem „Loch“ herum. Hans Falk zerkleinerte bis zur Stilllegung mit einer Steinmühle die Erdmassen. Danach diente die Grube als Müllablagerungsplatz. Nach der Eingemeindung Berfas in die Stadt Alsfeld wurde die wilde, unkontrollierte Müllablagerung untersagt, da der Platz vom Ort aus nicht einsehbar war und von Auswärtigen hier verbotene Gegenstände und Materialien deponiert wurden. Beim Bau der Autobahnraststätte Berfa konnte der Erdaushub zur Abdeckung des Mülls verwendet werden. Da vorher auch eine Menge Gras und andere organische Abfälle dort abgelagert worden waren, entstanden Gase. Als ich eines Tages an der Stelle vorbei kam, sah ich Rauch aus den Erdrissen des aufgefüllten Bodens steigen. Ich erlaubte mir, einen Spaß mit der Stadtverwaltung, indem ich das Stadtbauamt alarmierte: „Kommt schnell nach Berf, der Vulkan auf dem Bechtelsberg spukt wieder, ich glaub‘ wir müssen das Dorf evakuieren!“ Zwei Sachbearbeiter waren auch kurze Zeit später da und prüften die „Gefahrenlage“. Schnell war man jedoch davon überzeugt, dass ein Vulkanausbruch nicht unmittelbar bevorstand.
Im Protokollbuch der Gemeinde ist am 20. März 1896 folgender Beschluss eingetragen: „Der Mauermeister Heinrich Loos und Valentin Gischler verpflichten sich, auf dem Gemeindeeigenthum dem Kaulgraben einen Steinbruch anzulegen, derselbe soll den beiden Mauermeistern auf sechs Jahre überlassen werden, für die jährliche Pacht von acht Mark, die Steine welche sich zu Chausseesteine eignen, müssen der Gemeinde unentgeltlich überlassen bleiben.“
Lehmgruben
In früherer Zeit war Lehm ein viel verwendetes Baumaterial. Beim Holzbau wurde das Fachwerk mit einem Geflecht aus biegsamen Ästen und Gerten ausgesteckt und das Ganze dann mit Lehm ausgefüllt. Die Holzdecken verkleideten die Maurer mit Schalhölzern, die mit einem Lehmstrohgemisch umwickelt wurden und dann zwischen die Balken kamen. Die Decke verfüllte man bis zur Balkenoberkante mit Lehm. In jüngster Zeit kommt man aus Denkmalschutzgründen bei alten Häusern wieder auf dieses sehr teure, arbeitsaufwendige System zurück. Bis vor hundert Jahren wurden auch in Berfa Ziegelsteine, der sogenannte Feldbrand hergestellt. Die männlichen Mitglieder der Familie Hahn werden in den Kirchenbüchern als Ziegelbrenner erwähnt. Die Lehmgrube befand sich auf der Rödelbach im Gemeindeeigentum und wurde in den 60er-Jahren mit Erdaushub aufgefüllt. In den Nachkriegsjahren, als die neuzeitlichen Baumaterialien Kalk und Zement nicht zu beziehen waren, wurde Lehm zu Bau- und Reparaturarbeiten sehr häufig verwandt. Beim Bau seiner Scheune 1900 verunglückte der Großvater von Alfred Hergert, Peter Hergert (Schusterpeter) in der Lehmgrube. Er war mit der Schaufel beim Lehmaufladen auf seinen Wagen beschäftigt, als ein Teil der Lehmwand abbrach und ihn gegen das eisenbereifte Wagenrad drückte, wobei ihm ein Bein abgequetscht wurde. Man erzählt, dass ihm zuhause ohne Betäubung das Bein abgesägt worden sei. Als Betäubungsmittel diente ein kräftiger Schluck Alkohol.
Die Tongrube
Sie befand sich am Born unterhalb des Waldes. Der Eigentümer war ehemals Friedrich Hahn, heute ist es Adolf Wahl. Hahn war Ziegelbrenner und musste sich einer strengen Gewerbeordnung unterwerfen: „Nach Höchstem Beschluss vom 2. Juni 1838 sind zur Ausübung folgender Gewerbe eine Conzession erforderlich: Kalk-Gips- und Steinbrechen, Farbengraben, Thon-, Sand- und Leimengraben, Ziegel-Kalk- und Leimensteinbrennen.“
Den fossilen Energieträger Braunkohle gab es in den Rödernwiesen, der Dick und am Rimberg. Allerdings haben die Flöze eine so geringe Mächtigkeit, dass der Abbau nicht lohnt.
Im Hinblick auf die Aufsicht über alle diese Naturvorkommen sah sich die Kreisverwaltung 1843 zu einer Regelung veranlasst, die in der Gemeinde in üblicher Weise bekannt zu geben war: Im einverständnisse mit der Polizeicommision soll jedewede mangelhafte Befriedigung und Abbauung der Erd-, Thon-, Lehm-, Sand- und Mergelgruben sowie Steinbrüche, in so weit solches nicht durch die Disziplinar Verfügung gegen die Ortsvorstände geführt werden können, gegen die Inhaber bzw. Arbeiten in gedachten Anstalten mit einer Strafe bis zu 5 Rthr geahndet werden.
Ein Auszug aus einem Protokoll des gleichen Jahres beweist, dass sich auch der Kreistag mit dem Thema befasst hatte: Gingen die Berichte der Ortsvorstände über die in hiesigem Kreise vollständig dahier ein. Beschluß der Ortsvorstände wird aufgegeben über die in ihrem Gemarkung befindlichen Steinbrüche gehörig Aufsicht zu führen ausse, die zur Abwendung von Unglücksfällen nöthigen Anordnungen zu treffen, und die Nichtbefolgung derselben Seitens der Besitzer der Steinbrüchen zur Bestrafung bey der betreffende P K zu Anzeige zu bringen.
Erstveröffentlichung:
Konrad Kaufmann, Steinbrüche und Gruben, in: Magistrat der Stadt Alsfeld (Hrsg.): Alsfeld und seine Stadtteile (Band 12), Berfa, Alsfeld 2007, S. 142-144.
Die Veröffentlichung der Texte des Autors im Rahmen des Internetprojekts
www.Geschichtsforum-Alsfeld.de wurde von ihm genehmigt.
[Stand: 06.04.2024]