Von Hermann Bender, Alsfeld (1964)
„Schon die Abendglocken klangen
und die Flur im Schlummer liegt …“
Von J. K. Braun
Das Erlensingen ist aus dem „Deutschen Liedertag“ hervorgegangen, der im Jahre 1930 vom Deutschen Sängerbund ins Leben gerufen wurde. Der Deutsche Liedertag sollte alljährlich am letzten Sonntag des Monats Juni durchgeführt werden. Die Gesangvereine waren dazu aufgefordert, in ihrer Heimat, in der Mittagszeit, auf Straßen oder Plätzen, Volkslieder oder volkstümliche Lieder der Bevölkerung zu singen. „Das Volkslied wieder unter das Volk“, sollte die Losung sein.
Die Alsfelder Sänger kamen dieser Aufforderung auch nach und sangen am Deutschen Liedertag zunächst alljährlich mittags auf dem Marktplatz. Doch bald erkannten sie, dass dieser Liedertag in Alsfeld viel schöner, eindrucksvoller und störungsfreier verlaufen könnte, wenn der volkstümliche Chorgesang nicht mittags auf dem Marktplatz, sondern an einem Sommerabend in den Erlen durchgeführt würde. Diesem Vorschlag folgte bald die Tat.
Im Jahre 1935 fand das erste Erlensingen statt, und zwar im Erlenwäldchen, das dazu mit Lampions illuminiert war. Die Oberhessische Zeitung schrieb dazu u.a.: „Es war eine schöne Stunde der Einmütigkeit im Geist und Gemüt, ein Erleben der volksverbundenen Kraft des Gesanges.“ Der Erfolg ermutigte dazu, das Erlensingen auch in den nächsten Jahren fortzusetzen. In den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren mussten solche Veranstaltungen ausfallen. Aber dann wurde das Erlensingen wieder aufgenommen, doch jetzt nicht mehr im Erlenwäldchen, sondern am illuminierten Erlenteich, auf dem beleuchtete Paddelboote sich bewegen. Die volkstümlichen Chöre des Vereins werden durch Musik- und Soloeinlagen, sowie durch offenes Singen ergänzt. Die Tatsache, dass dem Erlensingen alljährlich die Menschen zu Hunderten beiwohnen, beweist, dass es dem Gesangverein Liederkranz-Harmonie gelungen ist nicht nur seinen engeren Freundeskreis zu erfreuen, sondern die Stadt Alsfeld allgemein um eine alljährliche, öffentliche volkstümliche Veranstaltung zu bereichern, die übrigens auch am ersten Hessentag viel Beifall von auswärtigen Besuchern erhielt.
Mit dem „Christkindwiegen“, dem „Pfingstsingen“ und dem „Erlensingen“ ist der Verein bisher traditionell alljährlich vor die Öffentlichkeit getreten. Vielleicht wird sich in kommenden Jahren, jeweils gegen Ende der Sommerzeit, noch ein Singen im Klostergarten daran anschließen, über dessen Gestaltung noch nichts beschlossen ist. Zwischen der alten Stadtmauer und der altehrwürdigen Dreifaltigkeitskirche, also mitten in der Stadt, könnte eine Liederstunde, die dem Leitgedanken „Heimatliebe“ entspricht, wohl noch zu einer schönen Ergänzung der drei vorgenannten, traditionellen, öffentlichen Austritte des Vereins werden.
Erstveröffentlichung:
Hermann Bender, Das Erlensingen, in: Festschrift 125 Jahre Gesangverein Liederkranz-Harmonie, 125 Jahre Männerchorgesang in Alsfeld, Alsfeld 1964, S. 43-45.
[Stand: 14.02.2024]