Hermann Keck
150 Jahre Vliesstoffwerk in Alsfeld (1840-1990)

Hermann Keck-Jubiläumsbroschüre 1990

In einer Zeit, die charakterisiert ist durch gesellschaftliche wie wirtschaftliche Veränderungen, ist es umso bedeutungsvoller, einer 150-jährigen Firmengeschichte zu gedenken.

Deckblatt der Jubiläumsbroschüre

Kaum zwei Jahre sind vergangen, als eines der ältesten niederrheinischen Unternehmen der Textilindustrie, die Baumwollspinnerei und Weberei Anton Walraf Söhne, Grevenbroich, das 150. Geschäftsjahr beendete.

Heute folgt ihr als Tochterunternehmen im oberhessischen Alsfeld das zwei Jahre später – anno 1840 – gegründete Unternehmen und heutige VLIESSTOFFWERK HERMANN KECK.

Alsfelder Leineweber, Bleicher und Wollenweber

Unter denen, die einst in und um Alsfeld lebten und webten, findet sich manch angesehener Bürgername – in Urkunden, Zunftbriefen und Steuerverzeichnissen alter Archive der Stadt überliefert. Unter ihnen treten in den alten Papieren seit dem 17. Jahrhundert zahlreiche Namensträger der alteingesessenen Alsfelder Familie Keck auf, die als Haus- und Grundbesitzer, Leinenweber, Bleicher und Fabrikanten in der Stadt an der Schwalm weilten. Ihr entstammt der Senior und Firmengründer. Über ihn, seine weitläufige Ahnenreihe und Anverwandten geben weder Stammtafeln noch Bildnisse näher Auskunft [01].

Weiter zurück ins 14. Jahrhundert reichen Überlieferungen Alsfelder Wollenweber, Tuchhändler, Leinenweber und Blaudrucker in der damals schon ansehnlichen, zeitweise Mittelpunkt des Wollhandels gewesenen Stadt. Weite, von Schafherden begangene Wiesen in der breiten Talmulde um Alsfeld und auf den Äckern angebauter Flachs lieferten geschorene Schafwolle und Naturfasern, boten mit Landesprodukten die materiellen Voraussetzungen für die wichtigsten Erwerbszweige.

Die von zufließenden Nebenbächen begleitete Schwalm wurde als Wachstums- und Energiespender genutzt. Am Mühlenbach drehte sich das Wasserrad einer Walkmühle, in welcher die Wollenweber feuchte Tuche durchwalken und verfilzen ließen [02].

Das Wasser der Schwalm füllte die Gruben der Flachsrösten [03] und jene langen hölzernen Gießschaufeln, aus denen die „Manger“ genannten Bleicher es über die Garnstränge und Leinwand auf die Rasenbleiche warfen und niederregnen ließen.

Damals pachtete in Alsfeld ein Georg Christoph Keck [04] im Revolutionsjahr 1789 Wollen- und Baumwollfabrikant genannt, Teile der städtischen Bleiche und kehrte nach Aufgabe des Baumwoll-Flanellwebens zu buntem Leinen und Zwillich, einem grobfädigen Leinengewebe, und zu landesüblichem Rohstoff zurück. „Zwilch“ – so erklärte er der hessischen Regierung in Darmstadt – sei hier früher nie hergestellt worden. Er komme dem im belgischen Brabant fabrizierten in der Qualität gleich und werde, obschon das Verdienst der Erfindung alleine ihm zustehe, von den „übrigen hiesigen Fabrikanten“ nachgeahmt und ausgenutzt.

Während sich Bonaparte im Jahre 1804 als Napoleon I. zum Kaiser der Franzosen krönte, saß in Hamburg ein Lehrer der Handelsakademie über den Druckfahnen eines voluminösen, mit hanseatischer Gründlichkeit verfassten Wörterbuches der Warenkunde für „erfahrene Kaufleute, Makler und Manufakturisten“. Aus längst vergangenen lagen ein Vorläufer des bald allbekannten, sich „Rechte Hand des Kaufmanns nennenden Kontorhandbuches von Teismann, jedoch heute reizvoll und bemerkenswert auch in dem, was er über „Hessengarn“, „Hessisches Leinen“ und die Stadt Alsfeld im besonderen zu berichten wusste:

„Garnspinnen und Leinweben sei die eigentlich wichtigste Manufaktur im Hessischen. Aus Hanf mache man einen Drell, besser als der aus Flachsgarn gewebte; die meisten Webereien im Oberhessischen befänden sich im Amte Nidda und im Oberamte Alsfeld. „Auf den Bleichen zu Alsfeld“, so bekundete er zur lokalen Zeitgeschichte mit eigenen Worten, „wird eine Menge Leinengarn gebleicht, woraus man zum Theil in den Dörfern, vorzüglich aber in der Stadt, eine Menge blau- und weißgewürfelter Leinen webt, wovon jährlich sehr viele auswärts verkauft werden“. [05]

Mit dem Niedergang der Zünfte verbreitete sich die Hausweberei, wobei sich in der Umgebung von Alsfeld ausgesprochene Weberdörfer entwickelten, in denen Weberfamilien bescheiden lebten und der saure Hering als „Weberkarpfen“ galt. Ihr langes Tagewerk verrichteten die im Hause für Verleger arbeitenden Heimarbeiter am eigenen Webstuhl im Haupt- und Nebenberuf. Manche wurden damals mit Georg Büchners revolutionärer Flugschrift „Hessischer Landbote“ bekannt.

Sie vernahmen die wiederholten Bekanntmachungen in dem „Intelligenzblatt“ – Vorgänger der heute in Alsfeld im 158. Jahrgang erscheinenden „Oberhessischen Zeitung – die reiselustige Landsleute über Mainz und Rotterdam zur Auswanderung nach Amerika verlockten.

Verlagssystem und Hausweberei – DIE FIRMENGRÜNDUNG 1840

Bei der Herstellung oder Bearbeitung von Textilien begegnet man im alten Alsfeld immer wieder dem Namen einer Familie Keck in Verbindung mit anderen oder einzelnen Personen, die ihr Gewerbe vom Vater auf den Sohn übertrugen und weitervererbten. Über den Umfang des aus heimischem Handwerk hervorgegangenen Textilgewerbes wird berichtet, dass es 1830 in Alsfeld 19 Leineweber und Schneider, 5 Leinwandfabrikanten und 140 Wollentuchfabrikanten gegeben habe, die meistens allerdings aber für andere Meister gearbeitet hätten [06] – Unter ihnen wird 1835 ein Hartmann Keck (gest. 1852 in Alsfeld) als „Fabrikant im Großen und Kleinen“ für Leinen und Baumwolle genannt [07].

Im Jahre der Firmengründung 1840 [08], als der geschäftskundige Alsfelder Kaufmann und Leinenfabrikant Hermann Keck (1809-1867) das Hauptbuch eröffnete, zählte die Kleinstadt in ihren romantischen Gassen und mittelalterlichen Gebäuden kaum 4.000 Bewohner.

Es waren jene Jahre, die gekennzeichnet waren durch eine von der Dampfmaschine eingeleitete technische Revolution, die von einer Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft führte.

Auch in die von biederem Kaufmannsgeist durchwehten Kontore, wo die Dokumente, Geschäftsbücher und Briefe noch mit Vogelfedern handschriftlich abgefasst wurden und die Kommis am Stehpult ihre Gänsekiele mit einem stets griffbereiten Federmesser nachschnitten, drang seit Beginn der 1840er-Jahre eine stete Brise vorindustrieller Modernisierung auch in die Comptoirs oder Bureaus. In England kamen die Stahlfeder, das Löschpapier und erste Briefmarken auf, und die ersten deutschen Eisenbahnen wie auch Samuel Morses Erfindung des Telegraphenapparates traten an zum Siegeslauf gegen Pferdekutschen und Brieftauben.

Synthetische Farbstoffe waren noch unbekannt, und die Alsfelder Färber und Blaudrucker färbten Garn, Tuch und Leinen mit aus Blauholz und Indigo gewonnenen natürlichen Extrakten. In den Laboratorien aber begannen sich den Chemikern mit Nitrozellulose und watteartiger Schießbaumwolle schon damals die ersten Ansätze einer neuen Welt der Kunststoffe zu eröffnen, aus der viel später erst neben die altgewohnten Spinn- und Webstoffe das Textilvlies als Faserverband treten sollte.

Wie viele Betriebe der Textilindustrie, die aus dem Verlagssystem als Vorstufe industrieller Produktion hervorgegangen sind, war auch Hermann Keck mehr Kaufmann und Händler als Unternehmer und beschäftigte Lohnweber in Heimarbeit. Allwöchentlich an Samstagen – so war es der Brauch – fanden sie sich auf dem Firmenhofe „vorm Thor“, mit kleinen Handwagen oder Gespannen ein, lieferten gewebte Stücke ab und versahen sich für die nächsten Arbeitswochen mit Kett- und Schussgarnen.

Für seine Hausweber übernahm er die Arbeitsvorbereitung und finanziellen Risiken, besorgte Kett- und Schussgarne, die Kettbäume und auch Garnspulen für die farbigen Schussgarne, welche die Weber auf die für die Weberschiffchen bestimmten Garnkörper umspulten. Den Kettbaum und Auftrag nannte Keck in überliefertem Sprachgebrauch stets und kurzerhand „Zettel“. Auf Papier enthielt dieser den schriftlichen Auftrag, nach welchem auf dem Webstuhl das Anschnüren der Schäfte und Tritte vorzunehmen war, bzw. wie die Kettfäden vor dem Verweben in der für gemusterte Stoffe gewünschten Fadenfolge, Fadenzahl und Länge zu ordnen seien.

Als in Schlesien 1844 die auch in Dichtung und Kunst eingegangenen Weberunruhen ausbrachen, arbeiteten für Hermann Keck im Verlagssystem an die 60 bis 80 hessischen Weber. In Städten und Ortschaften um Alsfeld, der Burgenstadt Schlitz und in Wallenrod, ferner sodann in Grebenau, Hopfgarten, Romrod, Elbenrod, Bieben, Queck u.a. saßen seine Heimarbeiter vor dem knarrenden Webstuhl.

Viele Namen finden sich in einem mit dem Federkiel von Verlegerhand geführten „Weber-Buch“ überliefert [09], einer für diesen Bereich der Textilgeschichte beredtes Zeugnis ablegenden Dokumentation.

Neben eingeklebten Stoffproben verzeichnet es die jedem Weber übergebenen Kett- und Schussgarne en detail: die sogenannten „Zettel“, die farbigen Garne und Spulen sowie Mängel und Beanstandungen bei Ablieferung gewebter Stücke. Nicht selten vermerkte der Alsfelder Kaufmann falsches Ellenmaß oder Gewicht, Fadenbruch, Fettflecken oder Löcher im Gewebe, was zu Lohneinbußen beim Heimweber führte.

Firma Hermann Keck Vliesstoffwerk

Eine Auslese seiner ärgerlichen Kommentare und Anweisungen aus den Jahren 1841 bis 1844 artikuliert die mit dem Verlagsgeschäft verbundenen Kümmernisse:

„[…] wenn solcher kommt und bringt keine schöne schwere gute Ware, so bekommt er keinen Macherlohn […] die Ware ist schlecht gemacht und fehlen noch 2 Ellen […] Manco am Ellenmaß […] solcher hat das Ellenmaß zu kurz […] hat zu viele Fadenbrüche gemacht […] fand 2 große Löcher […] im letzten Zwilch war ein großer Fettflecken […] wenn er keinen richtigen braunen Barchent bringt […] für fehlendes Gewicht abgezogen […] hat die Ware nass gemacht […] solcher ist ein großer Dieb, man geb ihm keine Arbeit wieder […]“.

Schon damals sind Lieferungen von Packtüchern wie auch von Handtüchern [10] erwähnt. Pfund- und fassweise verzeichnet Hermann Kecks Hauptbuch mancherlei Hilfsmittel bei den für die Färberei verwendeten Naturalien einheimischer und exotischer Herkunft wie Wachs, Kreide, Pottasche und Indigo, Krapp, zermahlenes brasilianisches Blauholz, „Quercitron und „Catechu“ – zwei durch synthetische Teerfarben längst verdrängte und kaum noch bekannte Pflanzenfarbstoffe. Das eine war zu Gelbholzextrakt pulverisierte Rinde der Färbereiche, das andere eingedickter Saft der hinderindischen Gerber-Akazie, der auf Baumwolle in Verbindung mit Chemikalien braune und andere Farbtönungen hervorruft. Auch Alaun, Bleizucker, Blaustein und Kupferwasser, Chlorkalk, Soda und Schwefelsäure wurde von Keck bezogen, gehandelt oder angewendet.

Was den Bezug von Rohstoffen, den Verkauf und Absatz gewebter Waren angeht, so zeigen sich erstaunlich weitläufige Geschäftsverbindungen u.a. nach Fulda, Kassel, Gießen, Hanau, Frankfurt, Mainz, Mannheim, Würzburg, Köln, Elberfeld-Barmen und Mönchen-Gladbach; sodann Auslandsverbindungen zu Basel, Mecheln, Bradford, Manchester und Leeds, von wo 1847 einmal „44 Pack russisch Tow“ – ein Werg zum Spinnen – bezogen wurde [11]. Im gleichen Jahre lieferte die alte Barmer Firma Th. Wuppermann 10 Pack Garne nach Alsfeld [12], die Dürener Feintuchfabrik Leopold Schoeller & Söhne – gleichfalls ein Name von Rut und Klang – empfing von Hermann Keck 22 Stück Packtuch [13].

Um 1860 wird der Alsfelder Gründer und Unternehmer Hermann Keck, dem der auf des Vaters Vornamen getaufte Sohn Hermann Keck (Alsfeld 1846-1883) [14] ins Geschäft folgte, in alten Gewerbelisten als „Leinen- und Baumwollzeugfabrikant“, zugleich auch Packtuchgroßhändler bezeichnet. Neben einem weiteren wohl verwandtschaftlich wie auch geschäftlich verbundenen Friedrich Keck vertrieb er auch wetterfeste Wagen- und Packtücher für Fuhrwerke und für ländlichen Bedarf Erntetücher und Viehdecken, verlegte sich schließlich selbst auf die Fabrikation von Sackleinen und Säcken aller Art.

Im Jahre 1862, fünf Jahre ehe der Firmengründer 57-jährig starb, arbeiteten für sein Unternehmen „11 bis 25 Webstühle und 4 Gehilfen [15]. Ungeachtet des nun vorherrschenden Übergangs zur mechanischen Weberei mittels Dampfkraft, wird er auch zu jener Zeit noch als Händler und Verleger seinen Geschäften in altgewohnter Weise nachgegangen sein.

Mechanische Spinnerei
Weberei und Sackfabrik

Nach spätem Anschluss der Stadt an das Eisenbahnnetz 1870 sah Alsfeld im Jahre 1895 die „Oberhessische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in seinen Mauern. Nicht weniger als 183 Aussteller beteiligten sich an ihr, doch der alte Alsfelder Name Keck findet sich nicht unter ihnen [16].

Die Stadt war inzwischen über ihren historischen Mauerring hinausgewachsen, und „erst um die Jahrhundertwende (entschloss man sich) zur Errichtung von mechanischen Webereien in der Stadt Alsfeld“ [17]. Um 1893 beginnt Lina Keck, geborene Weber – Hermann Kecks Witwe – am Ostrand der Stadt vor dem Hersfelder Tor an ihrem Wohnhause mit einer Reihe baulicher Veränderungen. 1896 wird ein Hintergebäude um Lagerraum und Comptoir erweitert, 1903 ein Weberaum angebaut.

Die Tochter und Alleinerbin Berta (Alsfeld 1874-1854) [18] heiratete 1894 Gustav Rebstock (Rottenburg/Neckar 1859-1840 Alsfeld) [19], der 1904 als einziger Inhaber der Firma auftritt. Als Neubürger und Fabrikant auf Reputation und Ansehen bedacht, stiftete er dem Rathause zur Ausschmückung des Sitzungssaales eine Uhr, wofür ihm die Großhessische Bürgermeisterei Alsfeld mit Handschreiben vom 17. Dezember 1913 auch im Namen des Stadtvorstandes ihren Dank aussprach. Um 1930 nennt sich das nun auch Jutesäcke herstellende Unternehmen

„HERMANN KECK
Inhaber: G. Rebstock
Mechanische Weberei und Säckefabrik“.

Mit dem 1. Januar 1937 nimmt Gustav Rebstock in das von ihm geführte Fabrik-Unternehmen Oskar Letzgus (1895-1945) [20] als zweiten Gesellschafter auf und wandelt die Einzelfirma in eine Offene Handelsgesellschaft um.

Nach Kriegsende 1945 führten die Frauen der inzwischen verstorbenen beiden Inhaber, Berta Rebstock und Gertrud Letzgus (1902-1270) [21], das Unternehmen als Gesellschafterinnen fort.

Von den einstmaligen, zumeist in der damaligen Ostzone und den Sudeten ansässig gewesenen Lieferanten der Vorkriegszeit abgeschnitten, war die Herstellung umsäumter Reinigungstücher aller Art aus Grobgarngewebe – Scheuer-, Spül-, Bohner- und Maschinenputztücher – fast völlig zum Erliegen gekommen.

Dieser zunächst schwierigen Situation bei der Beschaffung von Grobgaren suchte man durch Bau und Errichtung einer eigenen Spinnerei zu begegnen, doch ließ sich der Plan erst nach der Währungsreform 1948 verwirklichen. Im Januar 1950 nahm die neue, mit aus England und Belgien importierten Maschinen ausgestattete Anlage den Betrieb auf. Mit selbstgesponnenem Grobgarn, jetzt aus eigener Spinnerei, war bis zum Fertigprodukt über Weberei und Näherei die Unabhängigkeit von zugeliefertem Grobgarn erreicht. Der Firmentitel lautete nun

„HERMANN KECK
Spinnerei – Weberei – Sackfabrik“,

und die Belegschaft wurde durch Neueinstellung von Fachkräften, zumeist Heimatvertriebener, fast vervierfacht. Bald fand mehr als die Hälfte der Haka-Erzeugnisse wieder ihren Weg von Alsfeld in alle Teile der Bundesrepublik und ins Ausland – in die skandinavischen Staaten, u.a. auch nach Marokko, Südafrika und Bolivien [22].

Während der Jahre 1949 bis 1956 mit Einzelprokura ausgestattet, wurde Eugen Oskar Julius Letzgus (Rottenburg/Neckar 1926-1983 Alsfeld) – als Letzter in der langen Reihe der Generationen – ab 1956 persönlich haftender Gesellschafter.

Er war der Sohn von Oskar und Gertrud Letzgus und wurde nach der Mutter Tod 1971 Alleinerbe und Alleininhaber des alten Familienunternehmens.

Das vertraute und gewohnte, schon seit den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts benutzte Kecksche Speditionszeichen „HK“ [23], und die gesetzlich geschützte und eingeführte Handelsmarke für „, Qualitäts-Tücher“, mit dem auf die frühe Gründung verweisenden Eindruck „gegr. 1840“ wurde Vorbild auch für das heute verwendete Firmen-Signet.

Firmensignet „HAKA“

Es verbindet die lang bewahrte Tradition der oberhessischen Fachwerk- und europäischen Modellstadt [24] mit der des Unternehmens zum Markenzeichen; neben 1840, dem Gründungsjahr, zeigt das Signet mit den Anfangsbuchstaben „h(a)“ und „k(a)“ die Vor- und Familiennamen der Stammherren Hermann Keck, eingebunden in die Silhouette des 1512 -1516 erbauten, weitbekannten Rathauses am Marktplatz von Alsfeld.

In einem über den Kreis Alsfeld erschienenen repräsentativen Bande heißt es 1967 anerkennend: „Die Kleiderwerke Bücking, die Betriebe Grünewald und Keck waren oder sind weit über Hessen, ja Deutschland bekannt […]“ [25]

Durch ein Großfeuer am 30.10.1973 wurde die Grobgarnspinnerei völlig zerstört, während die Weberei und Näherei erhalten blieben. In kluger Voraussicht ließ Herr Letzgus die Spinnerei nicht wieder neu aufbauen, sondern ging 1975 auf ein neues Produktions-System der „Vliesherstellung“ über, das den Einsatz von Garnen nicht mehr erforderlich machte. Für die noch weiter benötigten gewebten Tücher wurden Garne zugekauft, so dass auch die Weberei – wenn auch in kleinerem Umfange – weiter betrieben wurde.

Neu entwickelte Textilrohstoffe in Form künstlich hergestellter Fasern brachten der Textilindustrie neue Produktionsmöglichkeiten mit neuartigen Geweben. Die Herstellung textiler Flächengebilde wurde jetzt ohne den Einsatz von Webstühlen und ohne Kette und Schuss möglich.

Waren in Alsfeld über die Zeiten hin in traditioneller Übung Flachs, Jute, Wolle und Baumwolle verarbeitet worden, standen jetzt für die Produktion künstlich hergestellte Fasern in vorderster Linie. Bei der Verarbeitung dieser Fasern wird ein mehrlagiges Spinn-Vlies in einer mit hohen Touren laufenden Nadelmaschine mechanisch verfestigt. Beim Durchlauten eines beheizten Ofens erhält das Vlies, das mit einer unter Hitzeeinwirkung sich auflösenden Spezialfaser gemischt ist, seine endgültige Festigkeit. Dieser nun entstandene Vliesstoff wird über moderne Schneid-, Falt-, Lege- und Verpackungsmaschinen gebrauchs- und versandfertig gemacht. – Mit dem von den Griechen als Schatz betrachteten „Goldenen Vlies“ haf dieses Erzeugnis allerdings nur den Namen gemein.

Die Firma Keck entwickelte sich in den weiteren Jahren stärker als bisher und hatte innerhalb der Grobgarn-Industrie, deren Verbandsvorsitzender Herr Letzgus ab 1981 war, einen guten Ruf.

Durch den plötzlichen Tod von Herm Letzgus am 21. April 1983 entstand in der Weiterführung der Firma ein Vakuum, da kein Nachfolger vorhanden und von Seiten der Erben keine Möglichkeit für die Fortführung des Betriebes in eigener Regie gegeben war. Daher entschloss man sich für einen Verkauf der Firma. – Aus dem Kreis mehrerer Interessenten erhielt die Firma Anton Walraf Söhne, Grevenbroich, den Zuschlag; insbesondere deswegen, weil sie als einziger die gewünschte Zusage gab, die Produktion an gleicher Stelle fortzuführen. Der Kaufvertrag wurde zum 1. Juli 1983 abgeschlossen.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass der Betrieb nach dem Tode von Herm Letzgus bis zur Übernahme durch die Firma Anton Walraf Söhne von dem damaligen und heutigen Betriebsleiter und Prokuristen, Herrn Gerhard Ruhl, mustergültig und problemlos weitergeführt wurde und daher der Übergang zum neuen Besitzer reibungslos erfolgen konnte.

Bei der Übernahme des Betriebes, der zur damaligen Zeit nur einschichtig arbeitete, waren insgesamt 15 Mitarbeiter beschäftigt. Zum heutigen Zeitpunkt beträgt die Belegschaftsstärke 25 Mitarbeiter. Der reine Produktionsbetrieb arbeitet in drei Schichten.

Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass die Firma Keck nach der Übernahme durch die Firma Anton Walraf Söhne eine starke Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen hatte. Verbunden hiermit waren auch größere Investitionen, welche die Produktion erweiterten und modernisierten.

Dazu kam ein Neubau, der größenmäßig den heutigen Ansprüchen bereits nicht mehr genügt. Behördliche Auflagen, die auch mit zusätzlichen Kosten verbunden sind, erschweren zudem den betrieblichen Ausbau.

Das Geschäftsjahr 1990 hat sich bisher erfreulich gut entwickelt, auch wenn ein Brand in der Krempelanlage Ende Juni diesen Jahres die Produktion behinderte. Es kann jedoch trotzdem davon ausgegangen werden, dass das Jubiläumsjahr 1990 alle bisherigen Geschäftsjahre übertreffen wird.

Die langen Jahre des Betriebes Alsfeld als Spinnerei und Weberei sind abgeschlossen und gehören als ein Kapitel langer Firmentradition der Vergangenheit an.

Ein neuer Abschnitt der Firmengeschichte hat begonnen. Auch die weitere Zukunft – so hoffen und erwarten wir – wird in vertrauensvollem Zusammenwirken mit allen Mitarbeitern und Freunden des Hauses so erfolgreich sein wie in der Vergangenheit.

Stammfolge und Erben Keck in Alsfeld

ALLER FORTSCHRITT
ORIENTIERT SICH AN DER GESCHICHTE,
ALLE ZUKUNFT
BAUT AUF DER VERGANGENHEIT…

Quellen und Literatur

Hermann Keck, Geschäftsbücher: „Weber-Buch“. 1841-1844, Hauptbuch 1844-1848
Evangelisches Gemeindeamt und Standesamt Alsfeld
Personenstands-Urkunden und Grabstättenverzeichnis
Stadtarchiv und Regionalmuseum Alsfeld
Amtsgericht Alsfeld
Zeitungsarchiv „Oberhessische Zeitung“, Alsfeld
Universitätsbibliothek Düsseldorf
Stadtbücherei Alsfeld
Gottfried Christian Bohns, Wohlerfahrener Kaufmann, Warenlager oder Wörterbuch der Produkten- und Warenkunde, 1. Band, Hamburg 1805
Karl Siegmar Baron von Galéra, Die Geschichte der Stadt Alsfeld. Von den Anfängen bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges, Alsfeld 1974
Dieter Helmstaedter, Dorfkultur und Industrialisierung, Volkskundliche Studien im Landkreis Alsfeld, Diss. Frankfurt/Mainz 1967
Herbert Jäkel, Ackerbürger und Ausmärker in Alsfeld/Oberhessen, Frankfurt-Main 1953
Georg Kratz (Hrsg.), Der Kreis Alsfeld, Stuttgart 1972
Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1940
Festschriften zur 700- und 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922 und 1972

Quellennachweis und Anmerkungen

[01] Karl Siegmar Baron von Galéra, Geschichte der Stadt Alsfeld (1974); im Steuerverzeichnis 1652 ein Jost Keck (S. 199), „1651 wird in Alsfeld der Postbote Heinrich Keck erwähnt“ (S. 232).

[02] Ebenda, eine Walkmühle 1574 (S. 107).

[03] Ebenda, S. 264.

[04] Karl Dotter, Die städtische Bleiche auf dem Anspann, in: Mitt. des Geschichts- und Altertumsvereins, März 1940, S. 230 ff.; siehe auch Wandvitrine des Regionalmuseums Alsfeld: ein „Arbeits-Attestat für Joh. Jac. Keck“, Alsfeld 1796.

[05] Gottfried Christian Bohns, Wohlerfahrener Kaufmann, Warenlager oder Wörterbuch. 1. Band, Hamburg 1805, S. 809 f.

[06] Herbert Jäkel, Ackerbürger und Ausmärker in Alsfeld (Oberhessen), S. 33.

[07] Stadtarchiv Alsfeld, Listen der Gewerbetreibenden; Kirchenbuch 49/1852.

[08] Im Regionalmuseum Alsfeld steht auf einer Übersichtstabelle zur Stadtgeschichte (Wandvitrine) dagegen in Druckbuchstaben zu lesen: „1843 Spinnerei und Weberei Keck gegründet“, an anderer Stelle nochmals das Jahr 1843 als Gründungsjahr, Sterberegister 25/1867.

[09] Hermann Keck, „Weber-Buch“ 1841-1844.

[10] Hauptbuch 1844-1848, hier 6. und 10. Blatt unten (unpaginiert).

[11] Hauptbuch 1844-1848, S. 388.

[12] Ebenda, S. 382.

[13] Ebenda, S. 356.

[14] Kirchenbuch 18/1846, Sterberegister 36/1883.

[15] Stadtarchiv Alsfeld, Verzeichnis der Gehülfen.

[16] Hinweis von Stadtarchivar a.D. Dr. Herbert Jäkel, bestätigt auch bei Durchsicht der „Oberhessischen Zeitung, Jahrgang 1895, darin weder Erwähnung noch Firmen-Annoncen.

[17] Dieter Helmstaedter, Dorfkultur und Industrialisierung, S. 30 f.

[18] Kirchenbuch 18/1874, Sterberegister 5/1954.

[19] Sterberegister 82/1940.

[20] Städtischer Friedhof Alsfeld, Grabstelle Nr. 707.

[21] Städtischer Friedhof Alsfeld, Grabstelle Nr. 707.

[22] Oberhessische Zeitung, Nr. 179 vom 05.08.1950 „Alsfeld bekam eine Spinnerei“ (Sonderdruck, 4 Seiten lose); […] (?) Zeitung, Nr. 221, vom 22./23.09.1951.

[23] Altes Speditionszeichen „HK“, siehe im Weberbuch, letztes Blatt, und im Hauptbuch, Seite 14.

[24] Alsfeld – Europäische Modellstadt, Beitrag zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975, Alsfeld 1975.

[25] Georg Kratz (Hrsg.), Der Kreis Alsfeld, Stuttgart 1972, S. 159.

[26] Telefax-Mitteilung Keck, Alsfeld, vom 28.06.1990, Drucksache „Aus der Wirtschaft“.

Erstveröffentlichung:

Jubiläumsbroschüre „Hermann Keck, Vliesstoffwerk Alsfeld“, 1840-1990, Alsfeld 1990

[Stand: 26.06.2024]