Zum 25-jährigen Jubiläum der Hutfabrik Rockel
Aus fünf wurden fünfhundert

Oberhessische Zeitung (OZ), 15.04.1950

Als heute vor 25 Jahren, am 15. April 1925, in einer Scheune unterhalb des Storchennestes in Alsfeld ein bisher in der Stadt unbekannter junger Mann, zusammen mit einem Partner, einen Betrieb eröffnete, mag es manchen Alsfelder gegeben haben, der dem Unternehmen nur wenig Chancen einräumte. Was mache die? – Hüt? Das werd net lang dauern!, hörte man damals hier und dort sagen – und der kleine Raum, in dem der 24-jährige Firmengründer Heinrich Rockel mit fünf Mann stand und Haarstumpen herstellte – die als Halbfabrikate für die weiterverarbeitende Damenhut-Industrie geliefert wurden – konnte sich mit den Werkanlagen der starken Konkurrenz in Deutschland nicht messen.

Aber die Pessimisten sollten sich getäuscht haben! Noch im Gründungsjahre steigerte sich die Zahl der Beschäftigen auf 30 – der tatkräftige einfallsreiche Leiter der Firma war der einzige Fachmann, und neben vielen anderen Schwierigkeiten, die es zu beseitigen galt, musste er auch jeden seiner Arbeiter selbst anlernen, denn Hutfacharbeiter gab es bis dahin in Alsfeld nicht. Schon bald erwies sich, dass die Arbeitsräume, in denen das Unternehmen seinen Start genommen hatte, zu klein waren, so dass im Jahre 1929 der Umzug der Firma auf das heutige Fabrikgelände vollzogen wurde.

Rockel-Herrenhut

Wer die Gelegenheit hat, die Fabrik zu besichtigen, die heute auf diesem Gelände steht, findet einen überzeugenden Beweis für den ausschlaggebenden Wert der Privatinitiative. Gründlichste Fachkenntnis des Firmeninhabers, Verantwortungsbewusstsein und Wagemut, gepaart mit einer starken sozialen Einstellung ließen dieses Werk entstehen, dessen Produktion einen Ruf genießt, der über die Grenzen Deutschlands hinausgeht.

Schon im Jahre 1931 war es dem Betrieb möglich, die Herrenhut-Fabrikation aufzunehmen. Bald hatte sich der Rockel-Velourshut durchgesetzt. Seine hervorragende Qualität und sein niedriger Preis machten ihn beinahe konkurrenzlos, und der Name Rockel-Hut wurde zu einem Begriff der Leistungsfähigkeit und der deutschen Wertarbeit schlechthin.

Teilansicht der heutigen (1950) Industriewerke
Teilansicht der heutigen (1950) Industriewerke

Im Jahre 1935 entstand in Frischborn im Kreise Lauterbach ein Zweigbetrieb, die Haarschneiderei. Sie beschäftigt heute rund 50 Personen. Für die Vielseitigkeit des Betriebes spricht, dass die Firma in den Kriegsjahren Filzhandschuhe und Füßlinge für die Wehrmacht fabrizierte. Aus diesem Fabrikationszweig hat sich die Herstellung von Haarfilzhausschuhen entwickelt, die heute ein vielgefragtes Nebenprodukt der Hutfabrik darstellt. Für den guten Ruf des Rockel-Hutes spricht die Tatsache, dass vor dem Kriege rund 17 Prozent der hergestellten Hutfabrikate ihren Weg ins Ausland nahmen. Das Exportgeschäft gestaltete sich vor allem mit Holland, Schweden, Norwegen und Dänemark recht günstig. Der Krieg setzte dem Exportgeschäft ein Ende. Mit Holland konnte es jedoch inzwischen bereits wieder angebahnt werden und Aufträge aus anderen Ländern werden ebenfalls nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die Fabrikationsräume wurden in den Nachkriegsjahren erheblich ausgebaut. Neubauten erstanden, die neue, helle Arbeitsplätze schafften und Neueinstellungen ermöglichten.

Wer heute durch diese Räume geht, ist beeindruckt von den modernen Einrichtungen, den hellen, sauberen Arbeitsstätten und der emsigen Geschäftigkeit der rund 500 Arbeiter und Angestellten. Vom Rohmaterial für die Hutfabrikation, dem Hasen- und Kaninchenhaar, bis zum fertigen Hut, sind rund 60 Fabrikationsvorgänge zu bewältigen! Da werden Kaninchenfelle ausgesucht, Haare maschinell gereinigt, abgewogen und der Hutstoff auf einem zylinderförmigen Trommelsieb zusammen „geblasen“. Der dabei entstehende erste Hutstumpen ist ungefähr fünfmal so groß wie der fertige Hut, und es ist interessant, den weiteren Werdegang zu verfolgen. Wasserdampf spielt in fast allen Abteilungen eine große Rolle, und wir erfuhren, dass für die Herstellung eines Hutes ca. 13 Liter Wasser benötigt werden. Durch Formen, Pressen, Schleifbänder und Farbkessel nimmt der werdende Hut seinen Weg, um nach vielen Arbeitsgängen mit Schweißleder, Band und Qualitätswappen versehen zu werden. In großen Kartons nimmt er dann seinen Weg in alle Teile Deutschlands und bald auch wieder darüber hinaus.

So hat sich in Alsfeld innerhalb von 25 Jahren ein Industriewerk entwickelt, dessen stets treibender Motor die Initiative seines Gründers ist, und das den Namen Alsfelds hinausträgt mit der Qualitätsbezeichnung Rockel-Velourshut!

Erstveröffentlichung:

Oberhessische Zeitung, 15.04.1950, Aus fünf wurden fünfhundert. Zum 25-jährigen Jubiläum der Hutfabrik Rockel.

[Stand: 26.06.2024]